Kein Happy End bei den Wahlrechtsverhandlungen. Am Freitag wurde das Scheitern offiziell eingestanden.

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Verpflichtungserklärung aus dem Jahr 2010.

Wien – Es ist Fasching, insofern versuchte SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler das ernste Thema Wahlrecht ein wenig aufzulockern. "Wir haben in vielen Bereichen Einigung erzielt. Aber in einem Bereich haben wir uns geeinigt, dass wir uns nicht geeinigt haben." Mit diesen Worten verkündete Niedermühlbichler am Freitag offiziell das Scheitern der Wiener Wahlrechtsreform im strittigsten Punkt, über den Rot und Grün seit mehr als vier Jahren verhandelt haben.

Gemeint ist die Neuregelung der Mandatsverteilung, die die SPÖ als stärkste Partei in Wien über Gebühr bevorzugt. So war es etwa möglich, dass die Roten bei der Wahl 2010 mit 44,3 Prozent der Stimmen 49 von 100 Mandaten erreichten. Geeinigt haben sich die Koalitionsparteien aber darauf, dass die Entscheidung über die Streichung des mehrheitsfördernden Faktors im koalitionsfreien Raum getroffen werden kann, "ohne das Klima zu vergiften", wie der grüne Klubchef David Ellensohn anfügte. Die Koalition werde trotz der Streitigkeiten weitergeführt.

Antrag entspricht inhaltlich Notariatsakt

Noch vor Regierungseintritt hatten die Grünen 2010 gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ einen Notariatsakt unterzeichnet, in dem sich die Parteien zur Umsetzung eines fairen Wahlrechts verpflichteten. Laut Ellensohn wird in der nächsten Landtagssitzung Ende März ein grüner Antrag eingebracht, der inhaltlich dem Notariatsakt entspreche. Das heißt, dass der mehrheitsfördernde Faktor gestrichen werden soll.

Theoretisch könnten die Grünen mit ÖVP und FPÖ, die seit jeher auf eine Umsetzung des Aktes pochen, die Wahlrechtsänderung durchsetzen – gemeinsam haben sie 51 von 100 Stimmen und damit die Mehrheit im Landtag.

SPÖ könnte blockieren

Hier wird es freilich dank der Untiefen des Wiener Wahlrechts kompliziert: Denn die SPÖ könnte den Antrag im Alleingang blockieren. Bevor über den Gesetzesvorschlag im Plenum abgestimmt werden kann, muss er vom zuständigen Ausschuss freigegeben werden, der ein Vorberatungsrecht besitzt. In diesem Gremium halten die Roten aber mit acht von 15 Mitgliedern die absolute Mehrheit.

SPÖ-Landesparteisekretär Niedermühlbichler sagte dem STANDARD, dass sich der Ausschuss bei komplizierten Themen Zeit nehmen müsse. Monatelange Beratungen seien keine Seltenheit. Ob es bis zum kolportierten Wahltermin im Juni oder Oktober also zu einer Entscheidung im Ausschuss kommt, ist höchst fraglich.

Juraczka spricht von "Kasperltheater"

ÖVP-Landeschef Manfred Juraczka sprach angesichts dieses rot-grünen Vorgehens von einem "Kasperltheater. Diese Posse zeigt, dass das Wiener Wahlrecht dringend demokratisch durchflutet gehört." Findet sich der Notariatsakt im grünen Antrag wieder, wird die ÖVP diesem zustimmen. Dass sich die schwarzen Parteimitglieder bei einer internen Befragung jüngst klar für ein Mehrheitswahlrecht ausgesprochen haben, wertet Juraczka nur als "Meinungsbildungsprozess".

Geeinigt haben sich Rot und Grün darauf, die verfassungsrechtlich notwendigen Bestimmungen im Wahlrecht (Briefwahl, Wahlrecht für bestimmte Gefangene) zu reparieren. Zudem werden gemeinsame Resolutionsanträge eingebracht, um das Wahlrecht auf EU-Bürger und Drittstaatsangehörige auszuweiten und um die nichtamtsführenden Stadträte abzuschaffen. Die Entscheidung darüber liegt aber in der Kompetenz des Bundes. Ellensohn glaubt nicht, dass die Ausweitung des Wahlrechts bis zur kommenden Wien-Wahl Thema im Bund sein wird. (David Krutzler, derStandard.at, 13.2.2015)