Frage: Wird Griechenland jetzt aus der Eurozone austreten?

Antwort: Auch wenn es deutsche Ökonomen wie etwa Ifo-Chef Hans-Werner Sinn wiederholt als (zumindest vorübergehende) Lösung für Griechenland sehen würden: Von einem Euroaustritt Griechenlands ist nicht auszugehen. Selbst die griechische Bevölkerung sprach sich laut Umfragen vor den Wahlen überwiegend dagegen aus. Die Mehrheit der Ökonomen geht nicht davon aus, dass ein Euroaustritt die zum Teil dramatische Lage der Bevölkerung schneller verbessern würde als weitere Reformbemühungen. Rein rechtlich ist ein Euroaustritt in den Verträgen gar nicht vorgesehen. Griechenland könnte wahrscheinlich nicht nur aus dem Euro austreten, sondern müsste auch die EU verlassen.

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Antonis Samaras war bis Sonntagabend Premier von Griechenland. Nun wird er abgelöst vom Anführer des linken Wahlbündnisses Syriza, Alexis Tsipras.
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Frage: Sollte es dennoch zum unwahrscheinlichen Szenario eines Austritts kommen: Würde die Eurozone ein solches verkraften?

Antwort: Welche Auswirkungen ein Euroaustritt tatsächlich hätte, ist schwer abzuschätzen. In den vergangenen Wochen bemühten sich vor allem deutsche Ökonomen zu beruhigen – ein Austritt sei auf jeden Fall verkraftbar, so der Tenor. Zumindest für die Eurozone. Griechenland hingegen dürfte die Abwendung vom Euro nicht ganz so leicht verdauen können. Importe würden weiter in harten Währungen wie Dollar oder Euro bezahlt werden, und das würde den Griechen erhebliche Wohlstandsverluste einhandeln.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der deutschen Commerzbank, hält eine vorübergehende "große Unsicherheit" für wahrscheinlich. Mit einem Austritt rechnet Krämer jedoch nicht: "Trotz markiger Wahlkampfsprüche wird sich Griechenland mit der Staatengemeinschaft am Ende einigen – auch weil jetzt schon das Geld für die geplanten Sozialprogramme fehlt. Die Staatengemeinschaft hat ebenfalls Interesse an einem Kompromiss. Denn die Regierungen müssten bei einem Euroaustritt Griechenlands ihren Wählern erklären, dass die Hilfskredite verloren sind."

Holger Schmieding, Chefvolkswirt der deutschen Berenberg Bank, fasst die Lage so zusammen: Die EZB wird Staatsanleihen kaufen, was eine Ansteckung über den Rentenmarkt verhindert. Die Bankenunion hilft, die kleinen Gefahren für den Bankensektor auszuschalten. Und der niedrige Ölpreis bringt die Eurokonjunktur in Gang."

Frage: Wo steht Griechenland heute wirtschaftlich?

Antwort: Seit 2010 hängt Griechenland am Tropf der Troika, bestehend aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Insgesamt sind 250 Milliarden Euro zugesagt. Die Eurogruppe hat schon vor den Wahlen zugesagt, am Rettungsprogramm festhalten zu wollen. Regelmäßig prüft die Troika in Athen, ob die Zusagen der griechischen Regierung auch eingehalten werden und wie die Fortschritte beim Sparen aussehen. Ein Kontrollprogramm, das den Griechen nicht wirklich schmeckt – vor allem, weil die Kontrollore ob zu langsamer oder unzureichender Reformen den Griechen immer wieder auf die Finger klopfen.

Ganz unschuldig an der wirtschaftlichen Schieflage des Landes sind die Griechen auch nicht. Seit der Einführung des Euro 2002 blähten griechische Regierungen mit Sozialisten und Konservativen den Staatsapparat auf und lösten neue Probleme gerne mit neuen Krediten. Das Leben auf Pump wurde gang und gäbe. Dann kam die Finanzkrise, und 2009 war die Party vorbei. Rettung vor der Pleite, Schuldenschnitt und Kontrolle durch die Geldgeber folgten.

Frage: Welche Auswirkungen hätte ein Euroaustritt Griechenlands für Österreich?

Antwort: Griechenland ist derzeit mit 177 Prozent seiner Wirtschaftsleistung überschuldet. Gläubiger sind nach Schuldenschnitten für Investoren größtenteils die Euroländer, Österreich hat sich an den zwei Griechenland-Hilfspaketen mit insgesamt 5,8 Milliarden Euro an Krediten beteiligt.

Wifo-Chef Wolfgang Aiginger fasste die Auswirkungen eines Euroaustritts Griechenlands für Österreich vor wenigen Tagen im STANDARD so zusammen: "Tritt Griechenland aus der EU aus (aus dem Euro allein kann es das nicht), stürzt es in eine zehnjährige Krise. Es muss den Staatsbankrott anmelden, Österreich verliert bis zu zehn Milliarden Steuergeld direkt. Bei einem Ausgleich (Schuldenschnitt) weniger, bei Schuldenstreckung noch weniger."

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Frage: Tsipras hat im Wahlkampf seinen Wählern eine Schuldenstreichung durch die Geldgeber versprochen. Hat er Chancen, die Forderung – es ging um 60 Prozent – durchzusetzen?

Antwort: Wohl kaum. Wie am Montag aus der Eurogruppe kurz vor Beginn des Finanzministertreffens zu hören war, gibt es de facto keine Bereitschaft für weitere Finanzhilfen an Griechenland. Aber man wolle erst die Regierungsbildung in Athen abwarten, bevor Entscheidungen getroffen werden. Ende Februar 2015 läuft das Rettungsprogramm der EU für Griechenland aus, 1,8 Milliarden sind hier noch ausständig. Die Finanzhilfen des IWF laufen hingegen noch bis 2016 weiter.

Frage: Welche Folgen hatte das Sparprogramm in Griechenland und mit welchem Wirtschaftsprogramm will Alexis Tsipras das ändern?

Antwort: Das Sparprogramm hat in Griechenland zu teilweise massiven Wohlandsverlusten bei einem Großteil der Bevölkerung geführt. Jeder fünfte Grieche hat mittlerweile keine Arbeit mehr, bei den Jugendlichen bis 25 Jahren sind es sogar mehr als 50 Prozent. 30 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Sinkende Löhne, geringere Sozialleistungen und höhere Steuern: Seit 2009 fielen die Einkommen der Griechen um fast ein Drittel. Mit einem Wirtschaftsprogramm von zwölf Milliarden will Tsipras nun die Armen unterstützen. Ökonomen kontern, dass es sich hier nicht um ein Wirtschaftsprogramm handeln würde, sondern um ein Sozialprogramm.

Syriza hat sich eigentlich nie festgelegt, woher das Geld konkret kommen solle, sondern im Wahlkampf behauptet, die geplanten Maßnahmen würden unter anderem durch Bekämpfung von Korruption oder Anhebung von Steuern für Reiche gegenfinanziert. Ökonomen halten das eher für Wahlkampfrethorik als für eine Rechnung, die tatsächlich aufgehen kann.

Frage: Worauf könnten Hilfen für Griechenland tatsächlich hinauslaufen?

Antwort: Tatsächlich hat Griechenland im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit langer Zeit einen Haushaltsüberschuss erzielt, einen sogenannten Primärüberschuss. Das heißt, das Land hat mehr eingenommen als ausgegeben, wenn man die Schulden des Landes herausrechnet. Die Überschüsse könnten möglicherweise in die Ankurbelung der Wirtschaft gesteckt und nicht nur zur Abbezahlung der Schulden herangezogen werden.

Dies ist eine Idee, die auch bei Parlamentspräsident Martin Schulz auf offene Ohren stößt. Aber auch er betont, dass es auch um das Eintreiben von vorhandenem Geld gehen müsse. "Wir wissen doch alle, dass die reichsten Griechen in der größten Krise des Landes Geld aus dem Land bringen konnten, und ich nehme mal an, dass Tsipras gut beraten ist, dort anzusetzen." (rebu/roda, derStandard.at, 26.1.2015)