Nach der "Aktion scharf" im Advent, plant die Polizei zu Ostern weitere Schwerpunktaktionen. Die Vorgehensweise ist umstritten.

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Montag verkündete die Polizei stolz ihre höchst umstrittene "Aktion Scharf" gegen Bettlerinnen und Bettler. 16 Festnahmen, 115 Personen in zehn Tagen im Advent kontrolliert. Ein Armutszeugnis für die Stadt Wien. Um den vorweihnachtlichen Konsum nicht zu stören, gab es Vertreibungsaktionen, fast täglich wurde völlig undifferenziert im Boulevard über "störende" Armutsbetroffene berichtet.

Würdelose Behandlung

Behörde und Polizei resümieren ihren Einsatz: Man erhoffe sich Hinweise auf Hintermänner und kündigt weitere Schwerpunktkontrollen zu Ostern an. Der vorweihnachtliche Konsumeinkaufsfrieden darf ebenso wenig gestört werden wie der Osterhasen-Einkauf.

Ich war Zeugin einer dieser Amtshandlungen und habe die unfassbar würdelose Behandlung selbst wahrgenommen, anschließend wurden mir auch Einzelheiten von den Betroffenen erzählt:

  • Zwei junge Bettelnde wurden zur Polizeistation Deutschmeisterplatz gebracht. Einer bulgarisch sprechenden Vertrauensperson wurde (zunächst) verweigert, bei der Amtshandlung dabei zu sein, obwohl die beiden dies ausdrücklich wünschten.
  • Zwei andere berichteten, dass sie vier Stunden am Revier Deutschmeisterplatz festgehalten wurden, sich ausziehen mussten und ohne Bescheid oder eine Niederschrift einen Erlagschein für eine zu bezahlende Strafe erhielten. Sie fühlten sich unwohl und schwach, weil sie während der stundenlangen Prozedur weder etwas zu essen noch ein Glas Wasser bekamen.

Das "Nackt-Ausziehen" wurde damit gerechtfertigt, dass die Betroffenen ja "Gefährliches", zum Beispiel Schraubenzieher, bei sich haben könnten. Diese Behandlung ist nicht nur würdelos, es ist auch längst durchjudiziert, dass dies ein völlig unverhältnismäßiges Agieren der Polizei ist.

Leibesvisitation "Standardbehandlung"?

Man fragt sich: Wird jede Person in dieser Art und Weise behandelt, wenn sie einer Verwaltungsübertretung verdächtigt wird und sich nicht ausweisen kann beziehungsweise festgenommen wird, weil befürchtet wird, sie werde sich der Strafverfolgung entziehen? Wenn es eine "Standardbehandlung" nur für des gewerbsmäßigen Bettelns Verdächtigte ist, stellt sich die Frage, ob damit Abschreckung betrieben werden soll. Das wäre eine Vorgangsweise, die im völligen Gegensatz zur "Menschenrechtsstadt" Wien steht. So etwas darf in Zukunft nicht mehr stattfinden.

Recht auf Beistand

Es besteht wohl kein Zweifel, dass jede einer Straftat beschuldigte Person das Recht auf Beistand in Anspruch nehmen kann. Darüber ist sie auch ausdrücklich zu belehren. Gleichfalls hat sie das Recht, dass von ihr namhaft gemachte Zeuginnen und Zeugen einvernommen werden. Ein ordentliches Verfahren ist gleichfalls ein Menschenrecht.

Ebenso muss eine Rechtsmittelbelehrung erfolgen, die Erklärung, warum ein Erlagschein ausgehändigt wird, was die Rechtsfolgen einer Nichtbezahlung sind und welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen. Eine Niederschrift sollte auch immer ausgefolgt werden. Die nach §4 Wr. Landes-Sicherheitsgesetz vorgesehene Information an Menschen in Notlagen muss ebenfalls stattfinden.

Völlig mittellos

Die Abnahme sämtlicher Barmittel – oft das einzige Geld der Betroffenen – führt dazu, dass sie völlig mittellos auf der Straße stehen und sich – mitten in der Nacht, wie es der Fall war – nicht einmal etwas zu essen kaufen oder eine karitative Einrichtung aufsuchen können. Bettlerinnen und Bettler sind nun also wieder, – auch aufgrund der restriktiven Handhabung des Landessicherheitsgesetzes –, gezwungen zu betteln, um ihre Notlage zu überbrücken.

Menschen haben Bedürfnisse: Das stundenlange Warten auf eine dolmetschende Person ohne trinken oder essen zu können ist eine extreme Belastung – in diesem Fall auch noch, nachdem sie vorher schon stundenlang auf den Beinen waren. Kein Wasser. Kein Stück Brot.

Zu einer offiziellen Antwort auf diese Kritikpunkte konnte sich die Polizei bisher nicht durchringen. Es ist höchst ärgerlich, dass weder Fehler eingestanden, noch rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden. Und der Osterhase winkt. (Birgit Hebein, derStandard.at, 21.1.2015)