Bild nicht mehr verfügbar.

Gedenkveranstaltung in Philadelphia für die Opfer der Anschläge in Paris.

Foto: AP Photo/Matt Rourke

Bild nicht mehr verfügbar.

Tausende Menschen versammelten sich am Samstag auch in Marseille.

Foto: EPA/SEBASTIEN NOGIER

Bild nicht mehr verfügbar.

Die beiden Brüder Chérif und Saïd Kouachi (unten) sowie Amedy Coulibaly (links oben) wurden am Freitag von der Polizei getötet. Nach Hayat Boumeddiene (rechts oben) wird noch gesucht.

Foto: EPA/FRENCH POLICE

Paris - In Frankreich haben am Samstag hunderttausende Menschen der Opfer der Anschläge gedacht. Insgesamt 700.000 seien im ganzen Land auf die Straße gegangen, sagte Frankreichs Innenminister Bernhard Cazeneuve am Samstagabend in Paris. 80.000 Teilnehmer kamen in Toulouse im Süden des Landes zusammen, 75.000 Teilnehmer wurden in der westfranzösischen Stadt Nantes gezählt.

Allein in der 80.000-Einwohner-Stadt Pau im Südwesten Frankreichs versammelten sich etwa 40.000 Menschen. "Dies ist eine großartige Volksbewegung", sagte Paus Bürgermeister François Bayrou. Der Marsch formierte sich hinter einem Transparent mit der Aufschrift "Wir sind alle Charlie".

Fast 30.000 in Nizza

Unter demselben Motto versammelten sich im südfranzösischen Nizza zwischen 23.000 und 30.000 Menschen, die schweigend die Strandpromenade entlangzogen, bevor sie am Denkmal für die Kriegstoten Blumen niederlegten. Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi betonte, die Kundgebung sei von den Bürgern selbst und nicht von Politikern organisiert worden.

In zentralfranzösischen Orléans kamen laut der Polizei 22.000 Menschen zusammen. In Caen in der Normandie versammelten sich rund 6.000 Menschen vor dem Friedensdenkmal, wo sie das Lied "Ma liberté" ("Meine Freiheit") von Serge Reggiani anstimmten. Auch in mehreren anderen Städten gab es Massenkundgebungen.

Gedenkmarsch am Sonntag

Am Sonntag soll zudem ein Gedenkmarsch für die Opfer des Terroranschlags auf "Charlie Hebdo" in Paris stattfinden, der rechtsextreme Front National (FN) bleibt jedoch ausgeschlossen.

FN-Chefin Marine Le Pen sagte zu Mittag, sie habe bei einem Treffen mit Staatspräsident François Hollande am Freitag "keine klare Aufhebung eines Verbots" erwirken können. Sie bedauere dies, fügte sie hinzu, und warf Hollandes Sozialisten und der Zentrumspartei UDI "Sektierertum" vor. Beide würden sich gegen eine Einladung der FN zu dem "Republikanischen Marsch" stellen.

Bures, Kurz und Mikl-Leitner reisen nach Paris

Zu dem Protest- und Gedenkmarsch werden am Sonntagnachmittag hunderttausende Menschen in Paris erwartet. Österreich wird durch Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) vertreten sein.

Neben dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und vielen weiteren Staats- und Regierungschefs nimmt auch Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas am Sonntag am Gedenkmarsch für die Opfer der islamistischen Anschlagsserie in Frankreich teil. Dies bestätigte das Außenministerium in Paris am Samstag.

Die französische Regierung verschärfte vor dem Gedenkmarsch die Sicherheitsmaßnahmen und mobilisierte hunderte Soldaten. Ab Samstag wird es in Österreich an stark frequentierten Plätzen verstärkt Polizeipatrouillen geben, das kündigte Mikl-Leitner am Freitag in der "Zeit im Bild" an. Damit solle den Menschen die "bestmögliche Sicherheit gewährleistet werden", sagte die Innenministerin.

Opfer würdigen

Neben den meisten französischen Parteien und Gewerkschaften haben auch Menschenrechtsorganisationen zur Teilnahme an der Veranstaltung am Sonntag aufgerufen. Der Marsch soll die zwölf Todesopfer des Angriffs auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" und die Opfer der Attentate der darauffolgenden Tage würdigen. Zugleich will Frankreich damit seine Geschlossenheit demonstrieren und ein Zeichen gegen islamistische Gewalt setzen.

Auch wenn die rechtsextreme Partei nicht offiziell eingeladen ist, unter ihrem Parteibanner mitzumarschieren, bleibt ihren Mitgliedern die Teilnahme offen. "Alle Bürger können zu Demonstrationen kommen", sagte Hollande nach dem Treffen mit Le Pen. "Es ist ihre Entscheidung."

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat für Sonntag eine überkonfessionelle Gedenkstunde am Wiener Ballhausplatz um 16:00 Uhr angekündigt.

Verdächtige offenbar in der Türkei

Mit Hochdruck fahndet die französische Polizei nach der Komplizin der drei islamistischen Attentäter. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete, dass sie sich bereits im Ausland aufhalten soll.

Sie soll mit ihrem Partner Amedy Coulibaly am Donnerstag eine Polizistin getötet und am Freitag Mittäterin bei der Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt gewesen sein. Polizeierkenntnissen zufolge bildeten sie mit den Attentätern auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo", den Brüdern Chérif und Saïd Kouachi, eine Islamistenzelle.

2010 soll Hayat Boumeddiene von der Polizei wegen mutmaßlicher Kontakte zur Islamistenszene befragt worden sein, berichtete die Zeitung "Le Monde". 2009 habe sie in einer staatlich nicht anerkannten religiösen Zeremonie Coulibaly geheiratet.

18-Jähriger entlassen

Der 18-jährige Schwager der Kouachi-Brüder, der sich am Mittwochabend der Polizei gestellt hatte, nachdem er auf einer Fahndungsliste aufgetaucht war, ist laut Informationen des "Figaro" aus der Haft entlassen worden. Lehrer des Gymnasiasten haben bezeugt, dass er während der Tat im Unterricht saß.

Die Kouachi-Brüder waren nach Informationen der Zeitung "Welt am Sonntag" auch den deutschen Sicherheitsbehörden als gewaltbereite Islamisten bekannt. Sie hätten aber keine Kontakte in die deutsche Jihadisten-Szene gehabt.

Italiens Premier fordert EU-Geheimdienst

Als Reaktion auf die islamistischen Anschläge in Paris fordert Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi den Aufbau eines EU-Geheimdienstes. "Wir haben eine gemeinsame Währung, wir brauchen auch eine gemeinsame Geheimdienstagentur. Europa muss gegen den Terrorismus geeint sein", sagte Renzi am Freitag laut italienischen Medienberichten.

"Charlie Hedo" soll in mehreren Ländern erscheinen

Die neue Ausgabe von "Charlie Hebdo" soll neben Frankreich auch in mehreren weiteren Ländern erscheinen. Wie am Freitag aus Pressekreisen verlautete, soll das Magazin auf jeden Fall in Spanien und der Schweiz verbreitet werden, doch verhandle der Vertreiber MLP auch mit Partnern in weiteren Ländern. Eine Auslieferung nach Österreich soll es aber nicht geben.

Der neue Chefredakteur des Magazins, Gérard Biard, kündigte am Freitag an, dass die Ausgabe Zeichnungen der gesamten Redaktion, einschließlich der vier getöteten Karikaturisten, enthalten werde. Die Ausgabe erscheint mit Unterstützung anderer Zeitungen sowie der Pressevertreiber, die für die neue Ausgabe kein Geld nehmen wollen. "Charlie Hebdo" litt bereits vor dem Anschlag unter schweren finanziellen Problemen. Die überlebenden Mitarbeiter waren nach dem Anschlag gezwungen, ihre Redaktionsräume zu verlassen und bei der Zeitung "Libération" Zuflucht zu suchen. " (APA/red, derStandard.at, 10.1.2015)