Allgemeines Murmeln in der Klasse. Ich sitze in der Klasse und ärgere mich einfach nur. Meine Lehrerin hat mir soeben meine Schularbeit retourniert mit dem Kommentar: "Zwei plus, ich bin schwer enttäuscht von dir." Na toll! Damals wusste ich darauf einfach keine Antwort.

Heute zählt dieser Vorfall zu jenen Anekdoten, die man zu später Stunde gern einmal erzählt. Um dieser Enttäuschung zu entkommen, hätte die Lehrerin ja auch einfach ein schlechtes Sehr Gut darunter pinseln können. Es hätte so oder so die Welt nicht aus den Angeln gerissen.

Geringes Selbstbewusstsein. Ein Thema, das im Kontext der Bildung sehr selten aufgebracht wird. Noch seltener bei sogenannten guten Schülern.

Auch mein Selbstbewusstsein wurde wie jenes von Mona Rahmanian des Öfteren in der Schule gebeutelt, und das trotz ausgezeichneter Noten.

Die Frage nach dem Grundsätzlichen

Ein Gut war für mich im Gegensatz zu jener Lehrerin noch akzeptabel, aber spätestens bei einem Befriedigend hörte sich auch für mich der Spaß auf.

Ein Lehrer, der wie im Fall der Autorin eine Schülerin fragt, ob sie dumm sei, ist inakzeptabel. Das steht außer Zweifel. Meiner Meinung nach mangelt es dem Lehrer aber nicht nur an pädagogischem Können, sondern bereits an viel Grundsätzlicherem: dem respektvollen zwischenmenschlichen Umgang. Mir fällt auch bei längerem Nachdenken einfach keine Situation inner- oder außerhalb der Schule, die eine solche Frage rechtfertigen würde, ein.

Dazu gehört aber auch die mehrmals gehörte Lehreraussage: "Der Klassenbeste bringt es im wahren Leben sowieso nie zu etwas." Das mag vielleicht ein netter Motivationsversuch für meine Klassenkameraden gewesen sein. Für mich war das aber als pubertierender Teenager ein Schlag in die Magengrube. Für mich bedeutete dies ein Ausgeschlossensein aus jener Aufbruchsstimmung der Jugend. Während die anderen zumindest die Chance auf eine gute Zukunft hatten, war dies bei mir völlig undenkbar.

Im System gefangen

In eine ähnliche Kategorie gehört die Mär, dass gute Schüler nur den Vorteil extremer Anpassungsfähigkeit haben, die Lerninhalte auswendig lernen und sie nie begreifen würden. Wirklich intelligente Schüler hingegen haben extreme Nachteile im System Schule, denn eine Antwort in anderen Worten als jene der Mitschrift werde niemals akzeptiert.

Korrekte, aber anders formulierte Antworten zählen bei der Mehrheit der Lehrerschaft einfach nicht. Ich persönlich bin kaum Lehrern, denen selbstständiges Denken von Schülern ein zu unterbindendes Gräuel gewesen wäre, begegnet. War das Glück meinerseits oder meine Einser-Kandidaten-Brille, oder kann es vielleicht doch sein, dass Sie einigen wenigen solcher schlechten Lehrer in Ihrer Erinnerung mehr Platz einräumen, als diese real je hatten?

Die Angst vor dem Versagen

Der Gipfel des Absurden in meinem persönlichen Lebensweg war wohl die ernsthafte Befürchtung, dass ich wohl nie die Führerscheinprüfung bestehen würde. Diese Aussage beruhte aber nicht auf einer Ignoranz meinerseits gegenüber Straßenschildern, einem Unvermögen, die Fahrspuren am Gürtel auseinandersortieren zu können oder Gas, Bremse und Kupplung im Einklang miteinander zu bedienen. Nein, die einzige Grundlage waren meine Noten.

Sie sehen also: Das Gras in puncto Selbstbewusstsein ist nicht grüner auf der anderen Seite bei den Strebern und Einserkandidaten. Noten sind einfach nur akzeptierte Kennzahlen unserer Gesellschaft, eine Vereinfachung der Realität, und so sollte man auch mit ihnen umgehen.

Keiner wird ernsthaft glauben, dass das gesamte von Schülern gebotene Spektrum sich mit fünf Ziffern abbilden lässt. Wir können damit Personen untereinander vergleichen, aber mit daraus gewonnenen Schlussfolgerungen muss man vorsichtig sein. Aus Schülern mit schlechten Noten kann etwas werden oder auch nicht; aus durchschnittlichen Schülern kann etwas werden oder auch nicht; und aus ausgezeichneten Schülern kann etwas werden oder eben auch nicht. Noten sind nicht alles, wahrscheinlich aber auch nicht nichts. Jedenfalls sagen sie überhaupt nichts über den Wert eines Menschen aus (Johanna Ullrich, derStandard.at, 31.10.201).

Nachlese des Userkommentars von Mona Rahmanian.