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Polizeikontrolle am bayrisch-österreichischen Grenzübergang Kiefersfelden

Foto: AP/Koch

Ich empfinde immer noch ein Gefühl der Freude, wenn ich über eine österreichische Außengrenze fahre, ohne stehenbleiben zu müssen um kontrolliert zu werden – vor allem, wenn es Richtung Osten geht. Als Jahrgang 1963 habe ich den Horror des Eisernen Vorhangs noch intensiv erlebt.

Umso mehr wundert es mich, wie schnell Bürger, Medien und Politiker nach neuen Grenzkontrollen oder sogar Grenzschließungen rufen, sobald sie eine Gefahr verspüren – sei es Kriminalität, Terrorismus, Flüchtlingswellen oder zuletzt Ebola.

Was alle Rechtspopulisten eint

Nichts eint die Rechtspopulisten in ganz Europa – von der britischen Ukip über den Front National bis zu Heinz-Christian Straches FPÖ – so sehr wie ihre Ablehnung von Schengen, von Einwanderung und dem Abbau nationaler Grenzen.

Und in den USA stoßen rechte Republikaner ins gleiche Horn, wollen am Rio Grande eine unüberwindliche Barriere bauen oder jetzt wegen Ebola sämtliche Flüge aus Afrika stoppen.

Aber auch der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer und starke Kräfte in ÖVP und SPÖ, vor allem unter den Landeshauptleuten, haben sich mit dem Prinzip der offenen Grenzen nie angefreundet. Der jüngste Ruf aus den Ländern, Soldaten sollen wieder an der Ostgrenze patrouillieren, macht das deutlich.

Rückgrat des Nationalstaates

Bei der Debatte um Grenzkontrollen geht es mehr als nur ein Abwägen zwischen Bequemlichkeit und Sicherheit, sondern um unterschiedliche gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Visionen. Bewachte Grenzen sind das Rückgrat des Nationalstaates, und die Öffnung solcher Grenzen ist das Kernstück der europäischen Integration und ihrer Grundfreiheiten.

Es ist deshalb kein Zufall, dass die gleichen Politiker und Medien, die vor Zuwanderung warnen, auch gegen Brüssel wettern und auch den freien Warenverkehr reflexhaft ablehnen – so etwa die Kronen Zeitung, die täglich eine Kampagne gegen die US-europäische Freihandelszone TTIP reitet.

Zwar gibt es viele Grüne, die offene Grenzen für Menschen, aber nicht für Waren und Dienstleistungen wollen, weil sei im letzteren nur ein Privileg für Konzerne sehen. Aber so richtig konsistent ist diese Haltung nicht. Wer wirtschaftlich allzu protektionistisch denkt, landet irgendwann im rechtspopulistischen Lager.

Entscheidende ideologische Trennlinie

Die Frage der Grenzen ist vielleicht die entscheidende ideologische Trennlinie der kommenden Jahre, weit mehr als das traditionelle links und rechts. Ein Europa der offenen Grenzen ist selbstbewusst, tolerant, und grundsätzlich optimistisch.

Sollten die Grenzbalken wieder niedergehen, was im Rahmen des Schengen-Abkommens ja erlaubt ist, dann wäre dies ein Signal, dass auch in den Köpfen die Mauern hochgezogen werden und sich jedes Volk dahinter verkriecht. Das bringt im Endeffekt keine Sicherheit, aber kostet Wohlstand und Lebensqualität und nährt neue Konflikte.

Es gibt viele Wege, mit Problemen wie Flüchtlingen und Gefahren wie Ebola fertig zu werden. Grenzen zu schließen ist die schlechteste. (Eric Frey, derStandard.at, 18.10.2014)