Wien - "Ich habe keine Informationen, dass da aktuell etwas in diese Richtung geplant ist", erklärte ORF-Chef Alexander Wrabetz zu jenem ORF-Führungsmodell, das nach der Regierungsklausur in Schladming kolportiert wurde: ein rot-schwarz besetzter Zweiervorstand und ein kleinerer Aufsichtsrat etwa nach Muster der ÖIAG. Wrabetz sagte der APA, er sehe nicht, dass die Regierungsparteien heute wieder einen stärkeren Zugriff auf den ORF planen. Und er sieht dafür naturgemäß auch keine Notwendigkeit dafür.

50 Jahre nach dem Rundfunkvolksbegehren sieht der ORF-Generaldirektor die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Senders gesichert. "Der ORF hat heute ein Ausmaß an redaktioneller Unabhängigkeit, Objektivität und journalistischer Freiheit, wie es in der Geschichte nie größer war", sagte Wrabetz im Interview mit der APA. Das werde auch vom Publikum so gesehen.

Im Geiste des Begehrens

"Wir agieren heute stärker im Geiste des Rundfunkvolksbegehrens als so manche, die jetzt daran erinnern und damals gar nicht dabei waren. Anders als zu früheren Zeiten behauptet derzeit ja auch niemand im ORF, dass ein Zugriff der Parteien spürbar wäre. Auch Umfragen beim Publikum zeigen hohe Werte für Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und Objektivität", so Wrabetz. Das von unabhängigen Zeitungen initiierte Rundfunkvolksbegehren diente in den 1960er-Jahren dazu, den ORF aus den Proporzfängen von SPÖ und ÖVP zu befreien.

Wie etwa schon im STANDARD-Interview kann Wrabetz, bis Ende 2016 bestellt, anderen Fürungsmodellen wenig abgewinnen: "Das bei allen erfolgreichen und unabhängigen öffentlich-rechtlichen Sendern Europas gängige Intendanten-Modell ist auch für den ORF das vernünftigste. Der ORF erfüllt seine Aufgaben im europäischen Vergleich sehr gut. Bei der Führung und Steuerung des Unternehmens und beim Stiftungsrat besteht daher der geringste Handlungsbedarf. Wo es Änderungen bräuchte, sind die Rahmenbedingungen und die Möglichkeiten des ORF im Internet."

Digitale Erleichterungen

Bestimmte Restriktionen für den ORF seien nachvollziehbar, es brauche aber ein schnelleres Tempo bei Angeboten zur mobilen Nutzung. "Das ORF-Gesetz stammt aus dem Juni 2010, die ersten iPads sind im Herbst 2010 auf den Markt gekommen, und heute gibt es in Österreich 800.000 Stück davon. Wenn wir ein Angebot im mobilen Bereich machen wollen, dann sind wir trotz des Bemühens der Medienbehörde mit langen Verfahren konfrontiert. Das passt vom Tempo her nicht in die Zeit. An bestimmten Online-Aktivitäten dürfen wir gar nicht erst teilnehmen. Wenn wir uns ansehen, in welch unglaublicher Veränderungsdynamik wir uns gerade befinden, dann ist das von Nachteil für den gesamten österreichischen Medienmarkt", so Wrabetz.

Neue Struktur

Um den ORF für den digitalen Umbruch und die künftigen trimedialen Aufgaben zu rüsten, will Wrabetz in den nächsten Monaten gemeinsam mit dem ORF-Management und dem Beratungsunternehmen Boston Consulting, das den Sender bereits bei der Entwicklung der Strategie 2020 unterstützt hatte, neue Strukturen entwickeln. Auf Basis von internationalen Beispielen - Wrabetz nennt etwa das Modell des finnischen Öffentlich-Rechtlichen oder des Bayerischen Rundfunks - soll ein "eigenes ORF-Modell" entstehen. Ziel sei dabei eine Stärkung der Sender- bzw. Kanal-Verantwortung über sogenannte "Channel Manager".

"Die Organisationsstruktur muss vor der räumlichen Umsetzung stehen. Wir werden das neue Arbeiten nicht erst 2020 realisieren, wenn alles fertig ist, sondern in Etappen schon vorher", erklärte Wrabetz. Mit der nächsten Geschäftsführungsperiode ab 1. Jänner 2017 soll die neue Struktur funktionieren, Teile könnten auch vorgezogen werden. "Es ist denkbar, dass wir das Channel-Management noch in dieser Geschäftsführungsperiode einführen." Erste Einsatzgebiete könnten etwa das Kulturradio Ö1 oder der TV-Sender ORF 1 sein.

Erst Struktur, dann Chef für Ö1

Bei Ö1 gab es zuletzt einige Irritationen wegen der Nachbesetzung der Ö1-Leitung. Radiodirektor Karl Amon schlug dafür Peter Klein vor, die Redakteure sprachen sich für Ulrike Wüstenhagen aus, und der Betriebsrat übte Kritik an Amons Rolle im offiziellen ORF-Hearing. Laut Wrabetz werde nun zuerst eine neue Channel-Management-Struktur für Ö1 erarbeitet, danach die Leitung des Kultursenders neu ausgeschrieben und besetzt.

"Wir haben beschlossen, dass wir versuchen die neue Ö1-Struktur zu realisieren. Sicher hätte das alles schneller sein können, aber es ist wichtig das zukunftssicher zu gestalten, dann auszuschreiben und dann zu besetzen. Im ersten Quartal 2015 sollte alles umgesetzt sein", berichtete der ORF-General. "Atmosphärische Störungen" zwischen Betriebsrat und Radiodirektor Amon würden bald ausgeräumt sein. Und: "Die Gespräche über die neue Ö1-Struktur werde ich selbst mit dem Betriebsrat führen." (APA, 8.10.2014)