Franz Lippe, Datenschützer Max Schrems, Gerald Ganzger, ARGE-Daten Obmann Hans Zeger und Rainer Lassl (v.l.n.r.) diskutierten über das EuGH-Urteil zu Google

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Google war dazu verpflichtet worden, sensible Links aus Suchergebnissen zu Personenanfragen zu löschen

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Welche Auswirkungen hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Google müsse auf Antrag von Nutzern sensible Links in Suchergebnissen löschen? Darüber sollten auf Einladung des renommierten Wiener Rechtsanwalts Gerald Ganzger die beiden Datenschützer Max Schrems und Hans Zeger diskutieren – auch wenn Letzter gleich zu Beginn darstellte, dass er gar kein Datenschützer sei. "Mit diesem Begriff kann ich nichts anfangen“, so der Obmann der Arge Daten, der sich vielmehr als Grundrechtsvertreter verstanden wissen will.

"Kein Wunder, dass sich Google nicht blicken lässt"

Durch die Besetzung des Podiums zeigte sich eine klare Übermacht an, nun ja, zumindest Google-kritischen Teilnehmern. Ganzger, der auch moderierte, betonte allerdings, dass auch eine Einladung an Google Österreich gegangen sei, man aber keinen Vertreter schicken konnte oder wollte.

"Kein Wunder, dass sich Google nicht blicken lässt“, ergänzte dann Zeger, der über das EuGH-Urteil nicht überrascht ist. Es wundere ihn nur, dass es erst so spät komme, so der ARGE Daten-Obmann. "Unterscheidet man zwischen hochwertigen und Schmuddelfirmen, muss man sagen, dass Google schon ein bisschen eine Schmuddelfirma ist“, so Zeger. Denn Google verdiene Geld damit, unsere Daten zu verknüpfen und zu interpretieren.

"Google ist für 99,9 Prozent 'das Internet'"

Vom Anspruch, das "Internet“ abzubilden, sei Google dabei weit entfernt – laut Zeger würde die Suchmaschine gerade einmal einen winzigen Bruchteil der verfügbaren Websites indizieren, vom "Dark Web“ ganz zu schweigen. Allerdings sei Google für 99,9 Prozent der Nutzer das Internet, wirft Jurist Rainer Lassl ein, der in der Kanzlei Ganzger, Lansky und Partner tätig ist und zuvor über das Urteil referiert hat.

Unternehmen könnten Linklöschung auch nutzen

Lassl ging hier unter anderem darauf hin, dass aufgrund der österreichischen Datenschutzregelungen auch "juristische Personen“ vom Urteil erfasst werden könnten – also etwa Vereine oder GmbHs. Diese könnten theoretisch weit zurückliegende Meldungen über einen Konkurs oder Zahlungsschwierigkeiten aus den Google-Suchergebnissen entfernen lassen. Genau das befürchten Kritiker des Urteils, die sich Sorgen um das Recht auf freie Meinungsäußerung machen und davor warnen, dass große Unternehmen die EuGH-Entscheidung missbrauchen könnten.

Google ist gefordert

Auch Max Schrems denkt, dass das Urteil nur "für ärgere Einträge relevant“ sei. Für ihn ist Google in der Pflicht, die Informationszugangsfreiheit zu gewährleisten. Dass das Schicksal von Löschanträgen in die Hände eines Algorithmus gelegt werde, müsse verhindert werden, so der Datenschützer. Vielmehr sollte Google ausreichend Ressourcen aufwenden, um die Fälle einzeln zu nutzen, was scheinbar auch geschehe. Google hatte nach dem Urteil ein Löschformular zur Verfügung gestellt, um die Anträge standardisiert bearbeiten zu können. Die Nutzung dieses Formular ist laut den Juristen von Lansky, Ganzger und Partner nicht verpflichtend, aber "praktikabel".

"Erdbeben im Silicon Valley"

In weiterer Folge könnte das Urteil laut Schrems auch für soziale Netzwerke und Unternehmen, welche die Analyse von Big Data als Geschäftsmodell haben, relevant werden. "Der EuGH hat ein Erdbeben im Silicon Valley verursacht“, so Schrems, der kurz nach der Verkündung des EuGH-Entscheids in Kalifornien war. Früher hätte man dort das europäische Pochen auf Datenschütz "süß“ gefunden, so Schrems, mittlerweile respektiert man, dass die Justiz keine Angst vor großen IT-Konzernen habe.

Datenschutzgesetze veraltet

Nun gebe es nun einiges zu tun, so Schrems und Zeger unisono. "Die Datenschutzgesetze in Österreich sind veraltet“, analysiert der Obmann der Arge Daten. Zeger: "Damals dachte man in Punkto Datenverarbeiter an Versicherungen, den Arbeitgeber, das Finanzamt.“ Google, Bing und Co spielten jedoch in einer anderen Kategorie.

Schrems, der gerade ein Buch zum Thema Datenschutz veröffentlicht hat, machte weiters auf das Paradoxon aufmerksam, dass sensible Inhalte bei einer Klage gegen Google erst Recht in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt würden. "Will ich eine Information weghaben und verklage Google, ist Medienberichterstattung über den Prozess erst recht wieder legitim“, so Schrems.

Schrems gegen NSA und Facebook

Schrems ist in eigener Sache momentan vor allem mit einem Prozess gegen Facebook beschäftigt, bei dem auch ausgerechnet der EuGH zur entscheidenden Stimme werden könnte: Schrems hatte ursprünglich bei der irischen Datenschutzbehörde eine Beschwerde gegen Facebook eingelegt, weil das soziale Netzwerk Nutzerdaten in die USA überweise. Dort seien sie nicht sicher, argumentierte der Datenschützer mit Verweis auf die NSA-Enthüllungen Edward Snowdens.

Die Datenschutzbehörde lehnte die Beschwerde allerdings ab, wogegen Schrems den irischen Rechtsweg bestritt. Das dortige Höchstgericht verwies den Fall jetzt an den EuGH, was Schrems prinzipiell freue. Allerdings mache er sich Sorgen um die Prozesskosten, die er im Fall eine Niederlage als Privatperson tragen müsse. Dabei handle es sich um"mehrere hunderttausend Euros“. Er sammelt jetzt Spenden für Europe vs Facebook und hofft auf weitere Unterstützung – damit der EuGH dem nächsten US-Konzern die Grenzen seines Datenhungers aufweisen könne. (fsc, derStandard.at, 24.6.2014)