Bisher gibt es eine Türkischmatura nur als Schulversuch. Die AHS-Direktoren würden sich einen Ausbau des Angebots wünschen.

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Wien – Die ÖVP bewegt sich beim Thema Türkischmatura. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner meinte am Mittwoch vor dem Ministerrat: "Wenn man es als Fremdsprachenfach lernt, habe ich damit kein Problem."

Auch Außenminister Sebastian Kurz signalisierte, dass er mit Türkisch als zweiter lebender Fremdsprache kein Problem hätte: "Ich halte es für unproblematisch, ein Angebot zu haben." Für die Integration sei das allerdings kein Thema, das wirklich große Bedeutung habe.

Schmied blitzte bei ÖVP noch ab

In der Vergangenheit hatte sich die mittlerweile aus der Politik ausgeschiedene Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) wiederholt für Türkisch als Maturafach ausgesprochen, war damit aber bei der ÖVP abgeblitzt.

Nun zeigt man sich bei den Schwarzen offen. Unvorstellbar wäre es für Mikl-Leitner allerdings, in Türkisch anstatt in Deutsch zu maturieren, also das Maturafach Deutsch zu ersetzen oder die Matura gänzlich auf Türkisch abzulegen. Hier gelte weiterhin der Integrationsansatz der ÖVP, dass Deutsch absolute Priorität habe.

Heinisch-Hosek will prüfen

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) äußerte sich zuletzt auf STANDARD-Anfrage zurückhaltender als ihre Vorgängerin. Sie möchte sich erst ein Bild machen, woran die Umsetzung vor drei Jahren gescheitert ist. Auch am Mittwoch verwies sie darauf, dass ein solches Angebot schon jetzt im Rahmen von Schulversuchen beziehungsweise der Schulautonomie in allen Schultypen möglich sei.

Sie wolle sich nun ansehen, warum das so wenig in Anspruch genommen werde, sagte die Ministerin. Sie sei auch "keineswegs dagegen", Türkisch auch als Lehrfach studieren zu können – ein Plan, der im Jahr 2011 trotz weitreichender Vorarbeiten an der Universität Graz mangels Basisfinanzierung nicht umgesetzt werden konnte. Man mache derzeit also eine Bestandsaufnahme. Grundsätzlich gelte, dass alles schwieriger sei, als es scheine, hieß es auf Nachfrage des STANDARD aus dem Ministerium.

Laut einer Umfrage der Organisation SOS Mitmensch haben jedenfalls auch AHS-Direktoren kein Problem mit der Einführung von Türkisch als Maturafach. In einer aktuellen Erhebung sprechen sich rund drei Viertel von 50 befragten AHS-Direktoren für Türkisch als Fremdsprachen-Maturafach sowie für die Einführung eines Lehramtsstudiums Türkisch an einer österreichischen Universität aus.

Nach Bundesländern betrachtet gab es nur in Kärnten keine Mehrheit für eine Türkisch-Matura (drei Direktoren dafür, drei dagegen).

Zurückhaltende Regierungsspitze

Weniger Lust an der Debatte hat ÖVP-Chef Michael Spindelegger: "Nur weil Erdogan (der türkische Premier Recep Tayyip, Anm.) nach Österreich kommt, brauchen wir uns jetzt nicht irgendeine Diskussion aufzwingen zu lassen", sagte er im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wollte auf das Thema nicht näher eingehen. "In Fragen von Unterrichtsfächern überlasse ich die Vorschläge in der Öffentlichkeit meiner zuständigen Ministerin."

Für FPÖ "Schlag ins Gesicht"

Für die FPÖ wäre Türkisch als Maturafach "ein Schlag ins Gesicht jeglicher Integrationsbemühungen". Damit würde nicht Schülern mit türkischer Muttersprache der Zugang zur Bildung erleichtert, sondern die Reifeprüfung verwässert, sagte FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz. "Bei einer Einführung von Türkisch als Maturafach würde das Niveau der Gymnasien und anderen maturaführenden Schulen sehr leiden."

Positive Effekte erwartet

Die meisten der von SOS Mitmensch befragten Direktoren rechnen bei einer Erweiterung des Fremdsprachenlehrplans mit einem positiven Effekt für die Grammatik und den Wortschatz der Jugendlichen. Außerdem sei die gute Beherrschung der Muttersprache Voraussetzung für das Erlernen weiterer Sprachen.

Die Möglichkeit, Türkisch als zweite lebende Fremdsprache in der Oberstufe zu wählen und in dem Fach auch zu maturieren, schaffe auch einen Anreiz zu höherer Bildung. Als Gegenargumente wurden die zu geringe Bedeutung von Türkisch genannt sowie die Schwierigkeit, eine neue Sprache in der Organisationsstruktur von Schulen zu verankern. Nur drei Direktoren befürchteten eine Abkapselung von Schülern.

Ergebnis klarer als erwartet

Für SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak sind die Ergebnisse der Umfrage "wesentlich klarer ausgefallen als erwartet". Insbesondere an Schulen mit einem hohen Anteil an türkischsprachigen Schülern herrsche große Offenheit, die Potenziale der Jugendlichen zu fördern und voll auszuschöpfen.

"Um allfälligen Missverständnissen gleich vorweg vorzubeugen: Kein einziger Schüler soll davon entbunden werden, Deutsch und Englisch zu lernen. Es geht allein darum, den Schülerinnen und Schülern die Chance zu geben, ihre oft nur umgangssprachlichen Muttersprachenkenntnisse zu vertiefen und auf Fremdsprachen-Maturaniveau zu bringen."

Derzeit nur Schulversuch

Im Gegensatz zu anderen Migrantensprachen wie Russisch, Polnisch oder Bosnisch/Kroatisch/Serbisch gibt es eine Türkischmatura derzeit nur als Schulversuch am Abendgymnasium Henriettenplatz in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus. Insgesamt sprechen laut Statistik Austria 6.300 Schüler in Oberstufenklassen an maturaführenden Schulen (AHS, berufsbildende höhere Schulen) neben Deutsch auch Türkisch. (APA, 11.6.2014)