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Infografik: Das brächte die Pkw-Maut

Grafik: APA

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Jedes der an der Uni Graz durchgerechneten Modelle würde zu einer Verkehrsverringerung führen.

Foto: APA/EPA/Thomas
Wien/Graz - Das Umweltministerium hat seine Überlegungen für eine flächendeckende Pkw-Maut überraschend ad acta gelegt. Wie Gerhard Popp, Sprecher von ÖVP-Minister Josef Pröll, auf APA-Anfrage erklärte, hätten Untersuchungen ergeben, dass "die positiven ökologischen Effekte in keiner Relation zu den negativen volkswirtschaftlichen Kosten" stehen würden. Basis der Entscheidung war eine vom Ministerium in Auftrag gegebene gemeinsame Studie der TU-Graz und der Uni Graz. Die Studienautoren zeigen sich von dieser Interpretation allerdings "überrascht".

Immerhin könnte der Verkehr um bis zu 14 Prozent eingedämmt und der CO2-Ausstoß um bis zu 1,6 Millionen Tonnen reduziert werden. Der volkswirtschaftliche Effekt sei "jedenfalls positiv", widersprach Karl Steininger, Volkswirtschaftsexperte der Uni-Graz, am Montag der Darstellung des Umweltministeriums. Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka (V) hatte eine flächendeckende Maut längerfristig zuletzt nicht ausgeschlossen.

Mehrere Varianten untersucht

In der Grazer Studie, die das Umweltministerium rund ein halbes Jahr unter Verschluss gehalten hatte, wurden mehrere Varianten untersucht: von 5 Cent je Kilometer ausschließlich auf Autobahnen, Schnellstraßen und ehemaligen Bundesstraßen (B) bis hin zu 10 Cent je Kilometer auf dem gesamten Straßennetz (inklusive eines 100-prozentigen Zuschlags in Ballungsräumen zu Stoßzeiten zwischen 7 und 9 bzw. 16 und 18 Uhr).

Nach dem "vorläufigen Endbericht" vom April 2004, der der APA vorliegt, würde jedes dieser Modelle zu Verkehrsverringerungen führen - konkret zwischen 5,1 und 14,3 Prozent. In weiterer Folge komme es dadurch auch "zur Reduktion jener Schadstoffe, die einerseits global zum Treibhauseffekt beitragen und andererseits lokal zu Atemwegserkrankungen und anderen Gesundheitsschäden führen" - je nach Planungsvariante zwischen 2 und 6 Prozent. Der CO2-Ausstoß würde um 570.000 bis 1,58 Mio. Tonnen sinken.

Laut dem Kyoto-Vertrag muss Österreich in den nächsten sechs Jahren 17 Mio. Tonnen an Kohlendioxid-Ausstoß einsparen. Nach der bestehenden Klimastrategie der Regierung sollen vier Millionen aus dem Verkehr kommen.

"Gewaltige Zeitersparniseffekte"

Auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde sich die Maut mit minus 0,2 bis 0,6 Prozent zwar leicht negativ auswirken. Dies sei aber vor allem auf den zu erwartenden Rückgang der Unfälle und die dadurch sinkenden Krankenhaus-Kosten zurückzuführen - ein BIP-Effekt, der nicht unerwünscht sein könne, betont Steininger. Dem stünden außerdem "gewaltige Zeiterspaniseffekte" gegenüber, die sich aus dem Rückgang der Stauhäufigkeit ergeben würden, die sich aber in der reinen BIP-Betrachtung nicht niederschlagen. Gleichzeitig würde sich die Beschäftigung erhöhen und die Arbeitslosigkeit leicht zurückgehen. Auch die Effekte für den Staatshaushalt seien netto betrachtet positiv und würden zwischen 1,1 und 3,5 Mrd. Euro liegen.

Die Wohlfahrtseffekte seien in jedem Fall positiv. Etwaige negative soziale Effekte - etwa höhere Belastungen für Pendler - könnten durch die gezielte Verwendung der zusätzlichen Einnahmen wettgemacht werden, so Steininger weiter. Der Volkswirtschaftsexperte denkt etwa an eine Lohnsteuerrefundierung. "Das hätte einen gewaltigen zusätzlichen Beschäftigungseffekt", so Steininger.

"Flexible Bemautung" als Ausweg

Die Alternative zur Maut, die Finanzierung des Straßenverkehrs durch die Pauschalbesteuerung etwa über die Autobahn-Vignette, die Kfz-Steuer oder die Mehrwertsteuer, sei "unsozial" und mache "langfristig keinen Sinn", betonte auch der Leiter des Instituts für Straßen- und Verkehrswesen an der TU-Graz, Werner Gobiet. "Wer einmal fährt, zahlt heute genau so viel wie jemand, der 1.000 Mal fährt", kritisiert der Experte. Seiner Meinung nach wird die Politik "auf lange Sicht um eine kilometerabhängige Maut nicht herumkommen". In vielen Bereichen sei die Infrastruktur aber schon jetzt überlastet und nicht mehr weiter ausbaubar. Nur durch flexible Bemautungen könnten Verkehrsströme gelenkt und Staus eingeschränkt werden, so Gobiet.

Im Umweltministerium betont man explizit, dass man den "Lenkungseffekt" nicht geprüft habe. Das sei Sache des Verkehrsministeriums, das ebenfalls im Studienbeirat vertreten war. Verkehrsstaatssekretär Kukacka hat erst vergangene Woche erklärt, dass durch ein neues Satellitenmautsystem bis 2009 oder 2010 die Einführung einer flächendeckenden Pkw-Maut zumindest möglich wäre. Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach (F) hatte allerdings umgehend etwaige Pläne in diese Richtung bestritten. Und auch am Montag hieß es aus seinem Ressort: Solange es keinen Regierungsauftrag gebe und kein breiter politische Konsens über das Thema bestehe, werde man auch aus der vorliegenden Studie "keine Schlüsse ziehen".

Wenig Anklang

In der Bevölkerung findet eine generelle Pkw-Maut derzeit relativ wenig Anklang. Während die Kilometermaut am hochrangigen Netz in einer Umfrage (100 Befragte) mit der Schulnote 1,3 in der Gesamtbewertung noch relativ gut abschneidet, haben 10 Cent auf allen Straßen die denkbar schlechte Note 4,9 erhalten.

SPÖ will Untersuchungsausschuss einschalten

Die SPÖ will in Sachen Pkw-Maut nun den Untersuchungsausschuss einschalten. Der eingerichtete "kleine Untersuchungsausschuss", der sich bereits konstituiert hat, müsse sich gleich zu Beginn mit dem Thema befassen "und die Hintergründe und Motive der Regierung bis ins kleinste Detail durchleuchten", erklärte SPÖ-Rechnungshofsprecher Günther Kräuter in Reaktion auf die Ergebnisse der Studie der Uni Graz.

Die Dementis der Regierung, wonach eine Pkw-Maut derzeit kein Thema sei, bezeichnete Kräuter als "völlig unglaubwürdig". Vielmehr habe nicht das Umweltministerium eine Untersuchung in Auftrag gegeben, sondern auch das Verkehrsministerium schon im August 2004 beim Schweizer Ingenieurbüro Ernst Basler & Partner eine Studie zur Pkw-Maut in Österreich erstellen lassen, glaubt der SPÖ-Abgeordnete, der von einem "perfiden Raubzug gegen die gesamten Verkehrsteilnehmer" spricht.

Eine Sprecherin von Verkehrsminister Gorbach weist das allerdings zurück. Die Schweizer Studie befasse sich ausschließlich mit dem Potenzial von Telematik-Systemen. Die Pkw-Maut sei im Rahmen dessen nur eine mögliche Nutzungsform, Pläne dafür gebe es aber keine, so die Sprecherin.

Auch VCÖ hat Bedenken

Bedenken gegen eine flächendeckende Pkw-Maut kommen einmal mehr auch vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). "Im Waldviertel macht eine Pkw-Maut überhaupt keinen Sinn", meinte VCÖ-Verkehrsexperte Wolfgang Rauh, Mitglied im Forschungsbeirat zur Grazer Untersuchung. Die verursachten Klimakosten seien "über den Treibstoff einfacher und effizienter einzuheben". Ein Teil der Mineralölsteuer - 10 Cent pro Liter Diesel und 7 Cent pro Liter Benzin - sollte für die Behebung der Klimaschäden zweckgewidmet werden.

Für sinnvoll hält der VCÖ aber eine Pkw-Maut in der Stadt. "In Ballungsräumen sollte es auf Grund der hohen Stau- und Lärmkosten eine zeitlich gestaffelte Maut geben", meint Rauh. (APA)