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"Harmonisierung ist nicht billig." Sie ist sogar sehr teuer, sagt IHS-Chef Bernhard Felderer - vor allem, da noch hohe Bundeszuschüsse für das Gesundheitswesen anstehen.

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Bernhard Felderer, Direktor des Instituts für höhere Studien, warnt vor den Kosten des Harmonisierungsmodells der Regierung. 2035 muss der Bund vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu den Pensionen zuschießen. Hohe Gesundheitskosten folgen, sagte er zu Lisa Nimmervoll.

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STANDARD: Sind Sie mit der Pensionsharmonisierung, wie sie die Regierung plant, zufrieden?

Felderer: Wir vom IHS waren vor vier Jahren die Ersten, die in Österreich gesagt haben, das Pensionskontensystem ist das, was wir uns für die Zukunft vorstellen. Unsere Idee war ein beitragsorientiertes Pensionskonto, das heißt, jeder bekommt ein individuelles Konto, Frauen wie Männer. Das hätte allerdings die Garantien, die die Sozialpartner jetzt den Pensionisten geben, nicht beinhaltet.

STANDARD: Das klingt, als ob Sie eine Verwässerung der Harmonisierungspläne kritisieren?

Felderer: Zur ursprünglichen Idee wurden so viele Nebenbedingungen hinzugefügt, dass es jetzt dem alten System nicht unähnlich ist. Diese Nebenbedingungen führen dazu, dass wir im Jahr 2035 in der Pensionsversicherung einen Bundesbeitrag von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) benötigen werden. Jetzt sind es 2,2 Prozent.

STANDARD: Das heißt, dass durch das vorliegende Pensionsmodell dem Bund 2035 ein Defizit von vier Prozent des BIP entsteht?

Felderer: So ist es. Es wird dann notwendig sein, aus dem Bundesbudget vier Prozent des BIP zum Budget der Pensionsversicherung dazuzugeben. Hier sind aber einzelne Transfers noch nicht eingerechnet, die an die Pensionsversicherung gezahlt werden, etwa für Kindererziehungszeiten. Das sind noch einmal drei oder vier Zehntel, die von den Ministerien oder dem Familienlastenausgleichsfonds kommen werden. Und mit Sicherheit werden die Zuschüsse, die der Bund im Bereich des Gesundheitswesens zahlt, wegen der alternden Bevölkerung bis dahin auch deutlich angestiegen sein.

STANDARD: Hätte das ÖGB-Modell noch mehr gekostet?

Felderer: Jawohl, es hätte noch deutlich mehr gekostet.

STANDARD: Ist die Regierung den Sozialpartnern schon zu weit entgegengekommen?

Felderer: Aus unserer Sicht ist sie den Sozialpartnern sehr weit entgegengekommen ist. Der Reformvorschlag der Regierung enthält neben der Harmonisierung auch Bestimmungen, von denen bisher keine Rede war. Nach 45 Beitragsjahren doch 80 Prozent des Lebensdurchschnittseinkommens zu erzielen ist insbesondere für Personen mit flachem Einkommensprofil, in erster Linie Arbeiter, eine Garantie, die sich in höheren Staatszuschüssen niederschlagen muss.

STANDARD: Wer sind die Gewinner und wer sind die Verlierer der Pensionsharmonisierung?

Felderer: Wenn ein breiter Konsens zu diesem Reformkonzept erreicht werden kann, und das Pensionssystem als sichere Basis für die Lebensplanung der Menschen in Österreich dienen kann, dann sind alle Gewinner. Wenn wir so weitergemacht hätten, hätte man die Pensionen langfristig nicht finanzieren können. Jetzt entsteht ab 2030 eine Situation, die sicher eine finanzielle Anspannung für die öffentliche Hand bedeutet, aber sie ist finanzierbar.

STANDARD: Pensionsexperte Alois Guger vom Wifo sagt, dass die Landesbeamten nicht einbezogen werden, ist "befremdlich". Was meinen Sie?

Felderer: Herr Guger hat völlig Recht. Die Länder sind dem Bund in der ersten Phase der Pensionsreform zum größeren Teil nicht gefolgt. Das Fehlen der Länder versteht niemand, weil das Pensionssystem ein gesamtsolidarisches System ist und daher Teile der Bevölkerung sich nicht ausschließen sollten. In der Vergangenheit haben alle von diesem System profitiert und durch die demografische Entwicklung werden auch alle in zumutbarem Umfang Opfer bringen müssen.

STANDARD: Für wie lange reicht diese Pensionsreform?

Felderer: Die Intention dieses Modells ist, dass es auch über die schwierigen Jahre um 2030 hinaus bestehen soll. Wichtig ist, dass die Bevölkerung erkennt, dass hier ein Kompromiss zwischen ökonomischen und finanzpolitischen Notwendigkeiten auf der einen Seite und sozialpolitischen Absichten der Regierung und Forderungen, die von den verschiedenen Seiten an die Regierung herangetragen worden sind, getroffen wurde. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.7.2004)