Harmonisierung im Alleingang: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und FPÖ-Chefin Ursula Haubner planen ein "alternativloses Pensionsmodell".

Foto: Matthias Cremer
Die Regierung will ASVG-Versicherte, Bauern, Selbstständige und Beamte ab 1. Jänner 2005 in ein einheitliches Pensionssystem überführen. Mit den Beamten stehen aber noch schwierige Verhandlungen bevor, denn sie fordern die Berücksichtigung ihrer bisherigen "Wünsche".

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Wien - Kuscheln war angesagt auf dem Podium, das Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP) normalerweise nur mit dem Vizekanzler nach dem Ministerrat teilen muss. Montagvormittag galt es, vier Leute hinter dem silberfarben lackierten Gestell zu platzieren, um die Eckpunkte für die Harmonisierung zu präsentieren. "Wir kuscheln uns da etwas enger zusammen als sonst", scherzte der Regierungschef, während FP-Chefin Ursula Haubner, Sozialminister Herbert Haupt (FP) und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (VP) Platz nahmen.

Ab 1. Jänner 2005 soll es für heute unter 55-Jährige, die ASVG-Versicherte, Bauern, Selbstständige oder Beamte sind, ein gemeinsames Pensionssystem geben, mit gleichem Beitragssatz. Nicht dabei sein werden Landesbeamte und Gemeindebedienstete und einige freie Berufe mit eigenen Kassen (siehe Factbox).

Das sei auch im Konsens mit den Sozialpartnern gelungen, sagte Schüssel, "alles gilt ab Jänner 2005", auch für Beamte, mit denen müsse aber noch verhandelt werden. "Strittig war einzig und allein die Pensionsreform 2003", die "in Kernpunkten unverändert ist". Einzig der Zehn-Prozent-Verlustdeckel wird 2005 auf fünf Prozent gekürzt und steigt dann wieder auf zehn Prozent bis 2024.

Verbesserungen gibt es im Bereich der Ersatzzeiten für Kindererziehung, wo statt des niedrigen Ausgleichszulagenrichtsatzes das mehr als doppelt so hohe "Medianeinkommen" von Frauen (1350 Euro) zur Bemessung herangezogen wird - dafür habe Haubner "wie eine Löwin gekämpft", so Schüssel. Der gleiche Wert gilt für Zivil-, Präsenzdienst und Familienhospizkarenz. Ab 2006 wird eine Schwerarbeiterregelung, für die sich Haupt besonders eingesetzt hat, und die noch konkretisiert werden muss, greifen. Höhere Pensionen sollen mit einem Solidarbeitrag belegt werden.

Haubner sprach vom "Ende eines langen Stillstandes", viele Ungerechtigkeiten würden beseitigt. Haupt lobte "das gute Modell", dass ÖGB und AK nicht zustimmen wollten, rang ihm ein "So ist es im Leben" ab. Bartenstein erwartet eine "Dynamisierung des Arbeitsmarktes" durch Wechsel zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst.

ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und Arbeiterkammer-Chef Herbert Tumpel befürchten indes im "Endausbau" Verluste bis zu 20 Prozent. Darum ging man nach dem 22. runden Tisch Sonntagnachmittag auch ohne gemeinsames Ergebnis auseinander. Unzufriedenheit äußerten die beiden Arbeitnehmervertreter auch über die Ersatzzeitenregelung und den fehlenden Pensionskorridor für Frauen. Für sie (Ausnahme Beamtinnen, die bis 65 arbeiten müssen) gilt das verfassungsrechtlich geschützte niedrigere Pensionsalter 60, das bis 2033 auf 65 ansteigt. "In langen und zähen Verhandlungen" sei es aber gelungen, "wesentliche Pflöcke" des ÖGB-Modells einzuschlagen.

Erstes Beamtenveto

Sofort nach Bekanntgabe der Eckpunkte der Harmonisierung kam ein erster Widerspruch vom Chef der Beamtengewerkschaft (GÖD), Fritz Neugebauer. Er begehrt "nachhaltige Korrekturen" an den Regierungsplänen. Neben der "Schwerarbeiterregelung" für besonders überlastete Berufsgruppen urgierte er Übergangsregeln für Beamte.

"Bisherige Ansprüche und Erwartungshaltungen sind entsprechend zu berücksichtigen", gab der Beamtenchef und Obmann des ÖVP-Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) der Regierung ein deutliches Signal für seine Widerstandsbereitschaft. Zuletzt hatte die GÖD als Gegenmaßnahme zur Harmonisierung eine Besoldungsreform mit höheren Anfangsgehältern sowie eine Pensionskasse und eine Abfertigung für Beamte, die derzeit stattdessen Jubiläumsgelder bekommen, gefordert.

Die nötigen Begleitmaßnahmen müssten nun "zügig verhandelt werden", fordert Neugebauer. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 13.7.2004)