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Rauch-Kallat: "Für mich ist der Entwurf absolut inakzeptabel. Da herrscht blanke Willkür"

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Wien - Erste Informationen aus der von Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (V) angeordneten Sonderprüfung der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK): Laut der Ministerin ist der vom Verwaltungsrat des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zweifach abgelehnte neue WGKK-Vertrag mit den Wiener niedergelassenen Ärzten "nicht das Problem". Dafür habe sich eine dramatische Situation in der Finanzgebarung gezeigt, erklärte die Ministerin am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Zuvor hatte sie von ihren Beamten einen Zwischenbericht erhalten.

"Es ist sehr interessant. Ich muss mir das noch im Detail ansehen. (...) Einerseits zeigt der Zwischenbericht sehr klar, dass die Gebarungsentwicklung der Wiener Gebietskrankenkasse dramatisch ist, was die Liquidität anbelangt. Im Benchmarking zu anderen Bundesländern zeigt sich, dass die Ärzteverträge (neuer Kassenvertrag WGKK/Wiener Ärztekammer, Anm.) nicht das Problem sind. Da gibt's durchaus innovative Ansätze in dem neuen Vertrag", stellte Maria Rauch-Kallat fest.

Unterstützung für Gleitsmann

Die Ressortchefin stellte sich hinter den stellvertretenden Chef des Verwaltungsrates des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Martin Gleitsmann. Der Brief über Bedenken der Wirtschaftskammer bezüglich Belastungen der Pharma-Industrie, aus dem am Wochenende Passagen bekannt geworden waren, seit bereits im September vergangenen - also noch vor dem "Arzneimittel-Paket 1" an sie ergangen. Er trage die Unterschrift mehrerer Wirtschaftskammer-Funktionäre. Rauch-Kallat: "Ich habe Gleitsmann immer als engagierten und sachkundigen Vertreter der Selbstverwaltung erlebt, der seine Sache ernst nimmt."

Immer mehr Kredite

Rauch-Kallat (V) bekräftigte, sie habe selbst "allergrößtes Interesse", dass es zu keinem vertragslosen Zustand in Wien kommt. Der Zwischen-Prüfbericht ihrer Beamten hätte allerdings eine dramatische Entwicklung in der Finanzlage der Wiener Gebietskrankenasse gezeigt.

So sei der Bedarf an Kurzfristkrediten deutlich gestiegen: Im Jahr 2000 hätte die Wiener Gebietskrankenkasse an 249 Tagen solche Gelder benötigt, im Jahr 2003 bereits an 305 Tagen. Die Ministerin: "Im Jahr 1999 waren es pro Monat sieben Millionen Euro, im Jahr 2003 pro Monat bereits 136 Mio. Euro mit Spitzen von bis zu 500 Mio. Euro. Sie haben einen Zins von 2,36 Prozent. Da haben sie gut verhandelt." Allerdings sei die jährliche Zinsbelastung der WGKK von 102.000 Euro im Jahr 1999 auf 3,1 Mio. Euro im Jahr 2003 gestiegen.

Die Ressortchefin bezifferte den Kreditrahmen der WGKK mit derzeit mit maximal 700 Mio. Euro: "500 Mio. Euro wurden schon erreicht. Die Frist läuft." Sie, Rauch-Kallat, werde keinesfalls einen Konkurs der WGKK zulassen.

Prüfung erfolgreich

Die Prüfung der Wiener Gebietskrankenkasse - so die Ministerin - sei umso mehr erforderlich gewesen, als diese ihrer Aufforderung mit Amtsantritt, ein Sanierungskonzept vorzulegen, bisher nicht nachgekommen sei: "Da hat es vorige Woche die erste Sitzung gegeben." Ein Konzept sei für die nächsten Tage angekündigt worden. Die von WGKK-Obmann Franz Bittner gegenüber Sozialminister Herbert Haupt (F) in einem Brief genannten Mehrkosten durch die Ablehnung des neuen Wiener GKK-Vertrages bezeichnete die Ministerin als unrichtig. Sie frage sich überhaupt, warum Bittner nicht ihr, Rauch-Kallat, die Daten geschickt hätte.

Kommision soll entscheiden

Während der Verwaltungsrat des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zwei Mal dem von seiner Geschäftsführung genehmigten WGKK-Wiener Ärztekammer-Vertrag die Zustimmung verweigerte, verweigert nun die Gesundheitsministerin ihrerseits dem Hauptverband einen von diesem vorgelegten brisanten Verordnungsentwurf: Jenen über die Einrichtung bzw. die Arbeit der geplanten Heilmittelevaluierungskommission. Sie soll in Zukunft entscheiden, welche Arzneimittel von den Krankenkassen in Zukunft bezahlt werden und welche nicht. Außerdem geht es dabei um die Aufnahme neuer Medikamente in die Kassenerstattung.

Die Ministerin ist mit dem Verordnungsentwurf unzufrieden: "Hier wird viel zu wenig entbürokratisiert. (...) Für mich ist der Entwurf absolut inakzeptabel. (..) Da herrscht blanke Willkür"

"Volles Verständnis für die Anliegen der Pharma-Industrie"

Es könne nicht sein, dass "willkürlich" entschieden werde, welches Arzneimittel von welchem Hersteller erstattungsfähig (auf Kassenrezept verschreibbar) werde und welches nicht. Die Ministerin: "Ich habe wirklich auch volles Verständnis für die Anliegen der Pharma-Industrie." Deren Vertreter hätten geschildert, wie sie gedemütigt als Bittsteller dem Hauptverband gegenüber stünden. Die Pharma-Industrie hatte zuletzt ihre Verhandlungen mit den Verantwortlichen abgebrochen. Sie drohte auch, vereinbarte Rückzahlungen von 23 Mio. Euro nicht zu überweisen. Darüber hinaus stellte sie die Möglichkeit einer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof gegen die 61. ASVG-Novelle in den Raum.

Das "Arzneimittelpaket 1" ihres Ressorts hat - so Rauch-Kallat - allerdings die Ausgabensteigerungen bei den Medikamenten im Krankenkassenbereich bereits seit Anfang des Jahres beeinflusst: "Im ersten Quartal 2003 sind die Arzneimittelkosten nicht angestiegen. Sie sind im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken." (APA)