Bild nicht mehr verfügbar.

"Wort Reform wird zunehmend zur Bedrohung"

APA/BARBARA GINDL
Wien - Nach der Aufhebung der Hauptverbands-Reform durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) müsse "möglichst rasch" gehandelt werden, meinte der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Fritz Verzetnitsch, Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Er will die Selbstverwaltung wieder stärken und klare Entscheidungsstrukturen schaffen. Verzetnitsch bekräftigte das Ziel, dass die von der Regierung beschlossene Pensionsreform wieder abgeschafft wird. Deshalb habe der ÖGB am Freitag sein Modell vorgelegt. Als ein Projekt der Gewerkschaft nannte er, das gesamte Arbeitsrecht neu zu definieren.

"Rasch handeln beim Hauptverband"

Mit dem VfGH-Urteil - mit dem die Reform größtenteils als verfassungswidrig erkannt wurde - hat sich für Verzetnitsch gezeigt, dass die Sozialpartner mit ihrem Konzept im Jahr 2001 richtig gelegen sind. Die Vertretung der Versicherten in den Führungsgremien müsse gewährleistet sein. Möglichst rasch müsse gehandelt werden, damit nötige Entscheidungen - z.B. bei der Gesundheitsreform - nicht in rechtlicher Unsicherheit getroffen werden müssen.

Die Pensionsreform der Regierung sei nur "eine rasche Geldbeschaffungsaktion, ohne Rücksicht auf den Arbeitsmarkt", kritisierte Verzetnitsch. Der ÖGB wolle mit seinem Modell sicher stellen, "dass jeder, der den gleichen Beitrag einzahlt, die gleiche Leistung bekommt". Für Schwerarbeiter soll es eine höhere Aufwertung geben, die eigenständige Pension der Frauen gestärkt werden. Die Frühpension soll weiter möglich sein, aber mit entsprechenden Abschlägen. Außerdem sei auch die Harmonisierung darin enthalten, über die erst verhandelt werden muss.

"Wort Reform wird zunehmend zur Bedrohung"

Den Vorwurf, die Gewerkschaft verhindere Reformen, wies Verzetnitsch zurück: Die Gewerkschaft sei bereit, auf Änderungen zu reagieren. Allerdings: "In diesem Land wird zunehmend das Wort Reform zu einer Bedrohung". Und: "Wenn Reform nur bedeutet, das Rad nach unten zu drehen für die Arbeitnehmer, sagen wir Nein."

Zurückhaltend zeigte sich Verzetnitsch in Sachen Organisationsreform der Gewerkschaft. Seinen Vorschlag, die 13 Einzelgewerkschaften in acht Brachengruppen zusammenzufassen, habe er vorgelegt, um die lange Diskussion im ÖGB zu einer Entscheidung zu bringen. Entschieden worden sei jetzt, dass die fünf Gewerkschaften GPA, Metall und Textil, Druck und Papier, Agrar-Nahrung-Genuss und Chemiearbeiter eine neue Gewerkschaft bilden werden, "das wird in in den nächsten vier Jahren sicherlich Realität". Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst werde wegen der spezifischen Dienstgeberstruktur als Einzelkörper bestehen bleiben. Die sieben anderen Gewerkschaften würden künftig in einer Allianz besser zusammenarbeiten.

"Den Besen benutzen, nicht nur schwingen"

Ein Projekt der Gewerkschaft sei, angesichts der neuen Arbeitsformen das gesamte Arbeitsrecht neu zu definieren. Dabei solle der Arbeitnehmerbegriff gestärkt werden, es solle jeden, der unselbstständig oder abhängig z.B. mit Werkverträgen arbeitet, umfassen. Für die neuen Arbeitsformen müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die zwar Flexibilität zulassen, aber auch Versicherungsschutz und Arbeitnehmerrechte - z.B. bei der Arbeitszeit - bieten.

Thema der Pressestunde war auch der kommende Woche bevorstehende Bundeskongress mit der Wiederwahl Verzetnitschs, der schon seit 16 Jahren ÖGB-Präsident ist. Ob er der "ideale ÖGB-Präsident" sei, könne er selbst nicht beurteilen. Seinen Stil umschrieb Verzetnitsch mit: Er wolle mit "aller Härte" Ziele erreichen. Nicht ein "stures Nein" oder "öffentlichkeitswirksame Schlagzeilen" seien sein Weg, sondern Alternativen vorzulegen und zu erreichen.

Trotz intensiver Befragung ließ sich Verzetnitsch nicht darauf ein, Kritik an SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer zu üben. Wichtig für ihn als ÖGB-Chef sei das Programm einer Partei - ob sie Politik für die Arbeitnehmer macht, meinte er nur. Und angesprochen auf den Erfolg des oö. SPÖ-Chefs Erich Haider: "Scharfe Töne allein machen es nicht aus. Es reicht nicht, den Besen zu schwingen, man muss den Besen auch benützen". Er sei "überzeugt, es ist nicht das schönste Gesicht, die schärfste Aussage, sondern das Programm, das dahinter steht", das zu Erfolgen führt. (APA)