Es ist unwahrscheinlich, dass Thomas Piketty mit seinem Bestseller "Capital in the 21st Century", der die wachsende Ungleichheit in den Industriestaaten dokumentiert, die Steuerpolitik der USA verändern wird. Zu stark ist der Widerstand im US-Kongress gegen jede Art von Steuererhöhungen. Dabei würde das Paradies der Superreichen am ehesten eine starke Prise Piketty – nämlich eine progressiv gestaffelte Vermögenssteuer – vertragen.

Aber in Österreich, wo das Buch auf Deutsch erst in einem Jahr erhältlich sein wird, könnte die von dem französischen Ökonomen losgetretene Diskussion sehr wohl auf fruchtbaren Boden fallen. Österreich ist zwar auch im europäischen Vergleich ein eher egalitäres Land. Aber es hat die beinahe höchsten Steuern auf Arbeit und die niedrigsten auf Vermögen. Und das ist ein Missstand, der dringend geändert gehört.

Schuld daran sind bestimmte historische Traditionen und die jetzige Haltung der ÖVP, die überzeugt ist, dass sie ihre Stammwähler am besten dadurch zufriedenstellt, dass sie sich um die allgemeine Steuerbelastung wenig schert – Sonntagsreden ausgenommen –, aber Vermögen so weit wie möglich verschont.

Absurdes Argument

Das Hauptargument dafür – Vermögen wurde bereits beim Verdienst einmal besteuert und sollte kein zweites Mal belastet werden – ist absurd; dann dürfte es auch keine Umsatzsteuer geben. Das wahre Motiv ist wohl die Vermutung, dass es der Durchschnittsbürger bereits gewohnt ist, einen guten Teil seines Arbeitseinkommens abzuliefern, er aber selbst kleine Ersparnisse und bescheidene Einfamilienhäuser als persönlichen Schatz betrachtet, den niemand angreifen darf.

Tatsächlich ist die ÖVP mit ihrer Anti-Vermögenssteuer-Haltung bisher gut durchgekommen. Die unsinnige Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer 2008 wurde ihr in der Öffentlichkeit und den Medien genauso wenig angelastet wie das jüngste Bestehen darauf,  eine verfassungswidrige Regelung für die Grunderwerbsteuer in einem neuen Gesetz festzuschreiben.

Die SPÖ spricht mit ihren Forderungen nach einer Vermögenssteuer nur ihre Stammwähler, aber nicht den breiteren Mittelstand an. Mit der Verteidigung von alten und dem Versprechen neuer Sozialleistungen lassen sich zwar Wahlen gewinnen, mit steuerlichem Klassenkampf aber nicht.

Wenn die Stimmung kippt

Das könnte sich allerdings ändern, wenn sich die Piketty-These, dass auch in Europa Vermögen in viel zu wenigen Händen konzentriert ist und wir uns wieder den Zuständen vor 100 Jahren annähern, in den Köpfen der Menschen einnistet. Irgendwann kippt die Stimmung, und der Widerstand gegen Vermögenssteuern wird dann nicht mehr haltbar.

Eine etwas vorausschauende ÖVP-Führung würde jetzt schon handeln, um dafür zu sorgen, dass möglichst sinnvolle Vermögenssteuern kommen und die kontraproduktiven Varianten, die auch in SP-Kreisen vertreten werden, verhindert werden.

Sinnlos ist etwa eine Millionärssteuer, die viel Staub aufwirbelt und wenige Einnahmen bringt, oder eine Steuer auf jede Form von Vermögen einschließlich Schmuck, Kunst, Autos und Jachten, die kaum zu administrieren ist. Geldvermögen ist durch die Kest bereits weitgehend endbesteuert.

Sinnvolle Steuern auf Vermögen

Die sinnvollen Formen haben das Wifo und viele andere Ökonomen vielfach skizziert: eine Reparatur der Grundsteuer mittels Ersatz der veralteten Einheitswerte durch Verkehrswerte, wie es der Verfassungsgerichtshof schon seit Jahren verlangt. Und wenn die Bewertung von Immobilien den Realitäten entspricht, lässt sich auch eine moderate Erbschaftssteuer wieder einführen, die den Staat bei der Vermögensweitergabe ein wenig mitschneiden lässt. Erben ist nicht böse, aber auch keine besondere Leistung, die gefördert gehört.

Grundsteuern sind die ideale Form der Vermögenssteuer. Grund und Boden können nicht flüchten, und der Besitz reflektiert sehr genau die wahren Vermögensverhältnisse im Land. Alle Reichen besitzen immer Immobilien.

Außerdem würde man auch jene reichen Ausländer erwischen, die in Wien und Kitzbühel die Preise hinauftreiben. Eine ordentliche Grundsteuer mit einem gewissen, aber nicht allzu hohen Freibetrag könnte auch dazu beitragen, dass mehr Kapital in die Wirtschaft fließt, etwa über die Börse, und etwas weniger in teure Häuser.

Geld für eine Steuerentlastung

Um das Argument der Kritiker zu entkräften, dass Österreichs Steuerbelastung ohnehin schon zu hoch sei, könnte sich Finanzminister Michael Spindelegger verpflichten, dass alle Einnahmen aus diesen Steuern aus einem Jahr im Folgejahr für eine Einkommensteuersenkung verwendet werden, etwa für eine Abgeltung der kalten Progression durch automatische Anhebung der Einkommensschwellen.

Dann wäre eine Steuerreform für 2016 bereits finanziert und dem wachsenden Zorn der Bürger über die Belastungen ein wenig Wind aus den Segeln genommen.

Doch vielleicht ist dieses Szenario zu optimistisch. Denn vorausschauendes Denken ist nicht die Stärke dieser ÖVP – siehe auch das ewige Zögern bei Homosexuellenrechten. Sie wird wohl auf den echten Piketty-Sturm warten. Und der könnte auch in Österreich noch unangenehm werden. (Eric Frey, derStandard.at, 15.5.2014)