Der Ton in der Gesundheitsdebatte wird zunehmend schärfer: Jetzt hat sich die Ärzteschaft gegen Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (VP) in Stellung gebracht. "Manischer Sparzwang" treibe die neue Ressortchefin an, warf ihr der Präsident der Ärztekammer, Reiner Brettenthaler, am Donnerstag vor.

Als zuständige Ministerin habe sie sich gefälligst um die Gesundheit der Menschen zu kümmern und die notwendigen Geldmittel zur Verfügung zu stellen – "andernfalls brauchen wir kein Gesundheitsministerium und keinen Gesundheitsminister", empörte sich Brettenthaler und diagnostizierte gleich noch "Realitätsverweigerung".

Grund für seinen Zorn ist Rauch-Kallats Absichtserklärung, die Gesundheitsausgaben in den nächsten Jahren an die Wirtschaftsentwicklung zu koppeln. Bis 2010 sollen die Gesundheitskosten nicht mehr als 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen. Offenbar plane die Regierung den schrittweisen Rückzug aus der öffentlichen Gesundheitsfinanzierung und steuere eine "Zwei-, ja sogar Dreiklassenmedizin" an, die sich nur jene leisten könnten, die es sich eben leisten können. "Der Patient kommt dabei unter die Räder", warnte der Ärztechef eindringlich.

Blaue Kontraindikation

Gegenwind kommt übrigens auch aus dem Gesundheitsstaatssekretariat, das Rauch-Kallat unterstellt ist: Im Haus von Reinhart Waneck (FP) hält man den Plan der VP- Kollegin, die Kosten "einzufrieren, für nicht zielführend, weil technische Neuerungen, die kurzfristig mehr kosten, langfristig zur Kostenreduzierung führen können".

Grünen-Gesundheitssprecher Kurt Grünewald sprach von einer "gefährlichen Drohung" in Richtung Patienten: "Der Fortschritt der Medizin sowie der steigende Anteil älterer und chronisch kranker Menschen wird die Kosten steigen lassen, wenn allen dieser Fortschritt weiterhin, wie im Gesetz verankert, unabhängig von ihrem Einkommen zugute kommen soll", hält Grünewald dagegen.

Schützenhilfe für Rauch-Kallat kam indes von Gesundheitsökonom Christian Köck. Im Standard-Gespräch hält er Rauch-Kallat zugute, "dass wir in einer Situation sind, wo sich wesentlich mehr bewegt als in den letzten Jahren". Rauch-Kallat habe etwa die Spitalsproblematik angesprochen, dort müsse endlich umstrukturiert werden, egal, wie sehr sich die Länder dagegen wehren: "Daran führt nichts vorbei", meint Köck.

Ein Ansatz in diese Richtung könnten die von Rauch-Kallat ins Auge gefassten "Gesundheitsagenturen" zur gemeinsamen Steuerung und Planung der Finanzströme und Versorgungsinfrastruktur in den Spitälern und im niedergelassenen Bereich sein.

Die angekündigten Reformen der Vorsorgeuntersuchung begrüßt Köck zwar, hält aber vorgelagerte Prävention für das "interessantere Thema im Rahmen einer effizienten und effektiven Gesundheitspolitik". Denn die Hoffnung, dass durch verbesserte Vorsorgetests "alles billiger wird", könnte trügerisch sein.

Verordnete Prävention

Köck: "Viele Vorsorgeuntersuchungen führen mit Sicherheit dazu, dass es in manchen Bereichen zu viel, also medizinisch nicht notwendig und damit erst recht wieder teurer wird." Außerdem gebe es bei der Vorsorge "ein Selektionsproblem: Es gehen die sowieso Gesundheitsbewussten hin."

Volkswirtschaftlich billiger wäre daher funktionierende Primärprävention, also die Forcierung von gesundem Lebensstil und den möglichst langen Erhalt der Gesundheit.

Prävention kostet aber Geld, das derzeit nicht wirklich üppig fließt. Gesundheitsökonomin Ingrid Rosian vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) illustriert das in Zahlen: Nicht einmal ein Prozent (0,09 Prozent) des gesamten Bruttoinlandsprodukts wurde im Jahr 1996 (eine aktuelle Erhebung läuft gerade) für Prävention und Vorsorge ausgegeben. Konkret waren es 805 Millionen Euro, so Rosian im Standard-Gespräch.

Pro Einwohner gibt Österreich damit im Jahr nur 22,72 Euro für Gesundheitsvorsorge aus. Rechnet man Rehabilitation dazu, sind es 77 Euro. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.8.2003)