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Aufmarsch der Waffentragenden vor der Hofburg - drinnen wollen sie ihren Ball feiern, draußen gedenken sie am Tag der Kapitulation (8. Mai) der Opfer des Zweiten Weltkriegs.

Foto: apa/oczeret

Ich möchte vorausschicken, dass ich die Veröffentlichung (Martin Standl, "Linksfaschismus": Eine Erregung von rechts, DER STANDARD, 15./16.2.2014) grundsätzlich begrüße. Eine Verweigerung der Diskussion wäre erstens undemokratisch und zweitens sinnlos. Allerdings halte ich Satire für das geeignetste Mittel, mit diesem revisionistischen Geschichtsbild umzugehen:

Dankbar nehmen wir diese Geschichtslektion entgegen. Die Burschenschaften waren also seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert stets liberal gesinnt. Das Nationale spielte für sie eine eher untergeordnete Rolle, denn gegen die Franzosen waren in dieser Zeit ja eigentlich eh alle. Ein bissl tragisch war es dann im 20. Jahrhundert, als sich "der unselige Antisemitismus bis in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft ausbreitete". Also wirklich, dieser böse Antisemitismus, der immer alles zerstören musste!

Nach der "Verwirklichung der ersehnten Vereinigung der Deutschen in einem Staat" (auch wenn dabei leider die im Deutschlandlied erwähnte Etsch aufgegeben werden musste, damit der italienische Führer dem deutschen nicht böse ist) gab es zwar vereinzelt Täter aus den Reihen der "Waffenstudenten", viel schwerer aber wiegt, dass der Dichter Fritz Löhner-Beda im KZ "starb", und zwar vermutlich deshalb, weil er selbst so ein Waffenstudent war; insofern ein typisches Opfer. Seltsamerweise unerwähnt bleibt das wichtige Faktum, dass weder Hitler noch Goebbels oder etwa Eichmann Burschenschafter waren - vermutlich der Grund, warum das Attentat vom 20. Juli überhaupt erst geplant wurde!

Leider musste dieser historische Abriss offenbar gekürzt werden, denn die Zeit nach 1945 findet überhaupt keine Erwähnung mehr. Gerne hätte man doch erfahren, wie das z. B. damals, in den Sechzigerjahren, mit Borodajkewycz wirklich war. Denn so wie die "extreme Linke" das gern darstellt, die "Meister im Besetzen der Begriffe und damit der Köpfe", kann es ja wohl nicht gewesen sein. Auch über die fröhlichen Liederabende auf der Bude der bekannt liberalen Wiener Burschenschaft "Olympia" und das traditionelle Begehen des Trauertages am 8. Mai (Kapitulation Deutschlands), das erst im 21. Jahrhundert so richtig gepflegt wurde, hätte man gerne mehr gelesen.

Der Appell, mit dem Standl schließt, "Wehret den Anfängen", lässt sich jedenfalls auf sein Geschichtsbild und das seiner Gesinnungsgenossen (aus Gründen der politischen Korrektheit vermeidet man das Wort "Parteigenossen") nicht mehr anwenden. Da drängt sich doch eher ein Brecht-Zitat auf. (Christian Goldstern, 1160 Wien)

Der Kommentar ist ein schönes Beispiel der allgemeinen Verwirrtheit und Verunsicherung, die bei rechten Couleurstudenten sehr oft zu beobachten ist. Dazu drei Beispiele:

1.) Ich war im Trauergottesdienst bei der Beerdigung von Otto Habsburg im Stephansdom. Der Dom war voll mit Couleurstudenten, also jener Gruppe, die 1848 gegen das Kaiserhaus für die Emanzipation des Bürgertums revoltierten. Nun erwiesen sie dem letzten Mitglied genau dieses Kaiserhauses die letzte große Ehre?

2.) Standl meint, in Österreich "marschiert der Linksfaschismus im Gewand der antifaschistischen Demokratie". Das sind die typischen ideologischen Worthülsen, die aus dummrechten Versuchen entstehen, die Welt zu begreifen, in der sie leben. Es zeigt deutlich, dass Herr Standl die Struktur und den Prozess einer Demokratie nicht einmal im Ansatz verstanden hat, da Demokratie für ihn etwas Linkes ist.

3.) Verzweifelt greift er schließlich in alle Farbtöpfe gleichzeitig, die eine liberaldemokratische pluralistische Gesellschaft ausmachen: liberal, Minderheitenrechte, Meinungsfreiheit, Recht auf Versammlung und Demonstration. Er beansprucht diese besonderen demokratischen Rechte für seine Couleurstudenten, ohne sich jedoch der damit verbundenen Pflichten bewusst oder ihnen verbunden zu sein. Wo kommen die Rechte/Pflichten-Paarungen vor in den Satzungen der Couleurstudenten? Da steht nur was von katholischem Glauben, Ehre und Vaterland. Herr Standl, wer nicht bereit ist, Pflichten in einer Demokratie zu erfüllen, kann sich auch keine Rechte erwarten.

Diese Verwirrtheit zieht sich durch das ganze Denken von Coleurstudenten und macht sie nur bedingt fähig, ernst genommen zu werden. Was sie wiederum zornig macht, und dieser Zorn wird immer auf "die Linken", also an allen anderen außer an ihnen selbst, ausgelassen. Herr Standl, die Lösung zu diesem Problem: Richten Sie Ihre Vereine an wohltätigen Tätigkeiten aus, helfen Sie Alten, Armen, Kranken wie die Ritterorden z. B. oder machen Sie was für den Naturschutz oder was für die Allgemeinheit. Ehre, Vaterland und Glaube ist leider in der heutigen Zeit viel zu wenig. Mit einer Neuausrichtung ersparen Sie ihrem Vaterland viel Diskussionen und tun was zu Ihrer Ehre.

Auf den Weg möchte ich noch folgendes Zitat geben, das Alexander von Humboldt zugeschrieben wird: "Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben." (Daniel Chladek, 1090 Wien) (Leserkommentare, DER STANDARD, 20.2.2014)