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Viele Familien suchten während der Kämpfe im Südsudan Zuflucht in den Basen der Uno. Internationale Organisationen sind im Land stark präsent – nicht immer zum Vorteil der Entwicklung, sagt Itonde Kakoma.

Foto: Reuters/James Akena

Mehr als 10.000 Menschen sind im Konflikt im Südsudan laut Schätzung vieler Experten gestorben, bevor sich die Vertreter von Regierung und Opposition Mitte Jänner auf einen Waffenstillstand einigten. Doch Meldungen sprechen schon jetzt von Verstößen beider Seiten. Konfliktlösungsexperte Itonde Kakoma vom amerikanischen Carter Center bezweifelt im Interview mit derStandard.at, dass die Verhandler die Autorität haben, den Kompromiss, der unter Vermittlung des regionalen Staatenbunds Igad zustande kam, in ihren eigenen Lagern durchzusetzen. Echte Versöhnung könne es nur geben, wenn sich alle relevanten Parteien selbst auf einen Plan einigen. Im Zentrum müsse dabei die Rückgewinnung von Würde stehen.

derStandard.at: Die internationale Gemeinschaft ist im Südsudan stark engagiert. Den Ausbruch des Konflikts im Dezember konnte sie aber nicht verhindern. Was ist schiefgelaufen?

Kakoma: Die Präsenz der internationalen Gemeinschaft ist tatsächlich beträchtlich, um es vorsichtig zu sagen. Sie hat die Menschen im Südsudan für die Dauer ihres langen Kampfes begleitet. Man könnte sagen, dass sich eine Abhängigkeit entwickelt hat, was grundlegende Leistungen betrifft. Fast wie ein Parallelstaat – mit Leistungen, die normalerweise die Regierung erbringen würde. Ihre Präsenz war in gewisser Weise sowohl von Vorteil als auch von Nachteil.

derStandard.at: Würden Sie der Darstellung zustimmen, dass es sich beim aktuellen Konflikt um einen politischen, fast persönlichen Streit zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Stellvertreter Riek Machar gehandelt hat, der erst später eine ethnische Dimension bekam?

Kakoma: Es geht um persönliche Dynamik und Persönlichkeitsfragen. Aber es geht auch um tiefsitzende historische Fragen. Zentral war, wie die interne Machtverteilung gehandhabt wurde. Die Krise war so, wie sie abgelaufen ist, wohl vermeidbar, hätte es die notwendige Führungsleistung gegeben, etwa im Umgang mit historischen Wunden, hätte es glaubhaft Platz für Widerspruch gegeben, hätte die Integration rebellischer Truppen in die Armee besser funktioniert. Das ist leider nicht geschehen, nicht nur aus Schuld der Regierung. Jetzt sind die Menschen im Südsudan mit einer rauen Wirklichkeit konfrontiert, in der Personen ihre Machtinteressen über die Stabilität des Staates gestellt haben.

derStandard.at: Im aktuellen Konflikt sind wohl mehr als zehntausend Menschen gestorben, viele weitere mussten flüchten. Wie kann ein Versöhnungsprozess aussehen?

Kakoma: Der Schlüssel zu jeder haltbaren Lösung muss ein selbst entwickelter Ansatz sein. Nicht nur von den Eliten, sondern von breiten Schichten. Die Frage der Würde steht dabei im Zentrum. Wie man sie wiederherstellen kann, nachdem sie gebrochen oder missbraucht wurde – etwa mit Versuchen, die Wahrheit auszusprechen. Das darf kein abstrakter Prozess sein, sondern es muss einer sein, der für das Leben der einzelnen Bürger Bedeutung hat. Im Kern steht ein funktionierender Staat, in dem Menschen Erfolg haben können. Dann kann es so etwas wie Versöhnung geben. Ohne diese grundlegenden Dinge wird es schwer, über Theorie hinauszuschreiten.

derStandard.at: Wird der vom regionalen Staatenbund Igad vermittelte Waffenstillstand halten?

Kakoma: Die nächsten Tage werden entscheidend sein. Zuletzt haben Regierungstruppen und Rebellen sich schon gegenseitig beschuldigt, den Waffenstillstand gebrochen zu haben. Man konnte den Rückzug von der Einigung bereits sehen. Ich glaube, das zeigt ein zentrales Problem des Friedensprozesses auf: Haben die Verhandler überhaupt intern die Autorität, einen Waffenstillstand zu unterzeichnen? Kontrollieren sie die verschiedenen Kampfgruppen? Können sie sicherstellen, dass der Waffenstillstand hält?

derStandard.at: Sie haben daran Zweifel?

Kakoma: Es ist keine Frage des Zweifels, sondern eine der Realität. Vor allem was die Opposition betrifft. Es handelt sich nicht um eine geeinte Front. Wenn jemand in ihrem Namen einen Waffenstillstand zugesteht, ist das schwierig. Auch aufseiten der Sudan People's Liberation Army (Regierungstruppen, Anm.) wird es eine Herausforderung sein, den Waffenstillstand aufrechtzuerhalten. Ich habe Vertrauen in die Mediatoren der Igad. Aber die Autorität, das Beschlossene auch umzusetzen – das ist der Knackpunkt. (Manuel Escher, derStandard.at, 29.1.2014)