Künstlerpfarrer, Multi-Kulti-Pfarrer, Global Prayer: Der Grazer Priester Hermann Glettler hat einige Beinamen. Er studierte Theologie und Kunstgeschichte in Graz, ist selbst Künstler und Kurator und betreut die Grazer Pfarren St. Andrä und Karlau. Dass er einmal Bischof genannt werden könnte, hätte er sich wahrscheinlich selbst nie gedacht.

Doch seit kurzem gilt der 1965 in Übelbach geborene Glettler als Topfavorit für die Nachfolge des steirischen Diözesanbischofs Egon Kapellari. Er und die Diözese schweigen dazu noch.

Einem größeren Kreis von Menschen, auch außerhalb der katholischen Klientel, wurde Glettler 1999 bekannt, als er die im 16. Jahundert von Dominikanern geweihte Andrä-Kirche im Migrantenbezirk Gries übernahm. Glettler öffnete Fenster und Türen weit und ließ nicht nur den "Atem der Weltkirche" herein, wie er damals erklärte, sondern auch zeitgenössische Kunst. Das ist schon von außen unübersehbar: Auf die gesamte Kirche, die im 19. Jahrhundert eine Neorenaissancefassade erhielt, malte der Künstler Gustav Troger in bunten Riesenlettern Worte wie "Science Fiction oder Fairplay". Innen bemalte Otto Zitko eine Seitenkapelle, die Fenster verwandelten unter anderem Manfred Erjautz, Lois Weinberger, Ronald Kodritsch, Werner Reiterer und Markus Wilfling in aufsehenerregende Installationen.

Der Künstler Christian Eisenberger lebte und arbeitete 2007 die gesamte Fastenzeit über in der Kirche, die in den 1960er-Jahren auch Wirkungsstätte des beliebten Altbischofs Johann Weber war.

Einen Mitgliederschwund der Kirche spürt man hier nicht. Denn Glettler führte auch Gottesdienste in mehreren Sprachen ein. Jeden Sonntag feiert nach der in deutsch gelesenen Messe die African Community eine zweite. 2008 engagierte sich der Priester für ein humanitäres Bleiberecht und öffnete dafür seinen Pfarrsaal für Treffen von Mitstreitern und Pressekonferenzen.

Mit Festen, Treffpunkten für Migranten und Ausstellungen leistet Glettler mittlerweile einen Löwenanteil der Integrationsarbeit in seinem Viertel. Aber auch Österreicher fanden durch ihn zurück in die Kirche.

Glettlers Wunsch, Priester zu werden, verfestigte sich auf der Maturareise in Frankreich, als er zufällig die Emmanuel-Gemeinschaft traf. Missionarisch war er in Ruanda, Tansania und Nigeria unterwegs, bevor er die ganze Welt in einem bunten Grazer Stadtviertel entdeckte. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 27.1.2014)