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"Es darf für Leute aus dem ORF kein Berufsverbot geben", meint Eugen Freund.

Foto: APA/Pfarrhofer

derStandard.at: Ihr Ex-Kollege Armin Wolf gibt politischen Quereinsteigern wenige Chancen auf eine längerfristige Politikkarriere. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Eugen Freund: Ich bin mit Armin Wolf durchaus einer Meinung, er hat sich aber sehr auf innenpolitische Quereinsteiger beschränkt. Aber auch dort gibt es gute Gegenbeispiele wie Franz Vranitzky, der von der Länderbank ins Finanzministerium gewechselt ist und ein sehr erfolgreicher Bundeskanzler war. Oder Ursula Stenzel, die eine erfolgreiche EU-Parlamentarierin wurde. Es ist nicht alles schlecht, was Quereinsteiger ist. Ich versuche mich an gute Vorbilder zu halten.

derStandard.at: Sehen Sie sich als "Votegetter", als prominenten Wählerfänger?

Freund: Es ist klar, dass ich ein Votegetter bin und sein soll. Aber ich bin sicher kein Hohlkopf. Ich habe 40 Jahre lang eigenständiges Denken bewiesen, das werde ich auch weiterhin machen.

derStandard.at: Ihre Bekanntheit war also ausschlaggebend dafür, dass sie von Werner Faymann überhaupt gefragt wurden?

Freund: Meine Bekanntheit ist sicher ein Vorteil. Es gibt viele bekannte Gesichter im Fernsehen, die weniger außenpolitische Erfahrung haben als ich. Es gibt auch viele mit schöneren Gesichtern, und die sind nicht gefragt worden.

derStandard.at: Waren Sie Faymanns erste Wahl?

Freund: Da müssen Sie Werner Faymann fragen. Aber es würde mich nicht kränken, wenn ich es nicht gewesen wäre.

derStandard.at: Sind Sie SPÖ-Mitglied?

Freund: Nein, bin ich nicht. Ich bin unter Bruno Kreisky, Olof Palme und Willy Brandt aufgewachsen und politisiert worden. Mir hat die Politik und das Auftreten von Kreisky immer imponiert und mich geprägt. Ich hatte aber einen Beruf, der es mir nicht gestattet hat, mich zu deklarieren, und diesen Beruf habe ich bis zum 31. Dezember 2013 gehabt. Ich habe meine politische Meinung nie geäußert und mich dabei auch nicht unwohl gefühlt.

derStandard.at: Werden Sie der SPÖ beitreten?

Freund: Nein, diese Absicht habe ich nicht. Ich möchte die Thesen und Arbeitsprogramme, die mit meinen Vorstellungen übereinstimmen, im Wahlkampf präsentieren. Dazu muss ich nicht SPÖ-Mitglied sein.

derStandard.at: Glauben Sie tatsächlich, unabhängig agieren zu können?

Freund: Es gibt viele Dinge, die die SPÖ vertritt und mit denen ich sehr gut leben kann, wie die Finanztransaktionssteuer oder die Bankenregulierung. Aber es wird sicher auch das eine oder andere geben, wo ich mir schwertue. Das werde ich dann von Fall zu Fall entscheiden.

derStandard.at: Mit Ende Dezember sind Sie aus dem ORF ausgeschieden, zwei Wochen später geben Sie Ihre Kandidatur bekannt. Ist das nicht eine schiefe Optik – vom TV-Studio in den Schoß einer Partei?

Freund: Eine schiefe Optik ist es nur dann, wenn man direkt aus dem Arbeitsprozess in eine politische Partei wechselt, so wie das alle meine Vorgänger gemacht haben. Ich habe meine Arbeit am 31. Dezember beendet. Niemand hat mir jemals vorgeworfen, dass ich mit der SPÖ agitiert habe.

derStandard.at: Es gibt eine Regelung, die es Politikern verbietet, direkt in den ORF zu wechseln. Wäre das nicht umgekehrt auch sinnvoll?

Freund: Es ist sinnvoll, dass Politiker nicht direkt in den ORF wechseln dürfen, aber es darf für Leute aus dem ORF kein Berufsverbot geben.

derStandard.at: Sie haben gesagt, dass Sie sich nicht in die Niederungen der Innenpolitik begeben wollen. Ganz trennen wird sich das aber nicht lassen.

Freund: Ja, aber ich will eine Europapolitik machen, bei der ich mich in den Spiegel schauen kann. Wenn sich die SPÖ dafür entscheidet, dass man in allen Lokalen rauchen kann, werde ich dagegen stimmen.

derStandard.at: Hans-Peter Martin war ebenfalls unabhängiger SPÖ-Spitzenkandidat. Was wollen Sie anders machen als er?

Freund: Jede Persönlichkeit ist anders, aber ich möchte mich mit ihm auch gar nicht vergleichen. Die SPÖ hat sich sicher etwas gedacht dabei, mich zu fragen.

derStandard.at: Er hatte damals die gleiche Funktion wie Sie heute: ein prominenter Quereinsteiger.

Freund: Er hatte eine ähnliche Funktion wie ich, aber er kam vom "Spiegel", nicht aus dem Fernsehapparat.

derStandard.at: Die Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen liegt bei unter 50 Prozent. Wie wollen Sie die Österreicher für die Europäische Union interessieren?

Freund: Ich habe in den letzten 25 Jahren bewiesen, dass ich eine glaubwürdige Person bin, der man vertrauen kann. Ich will über die Stärken und über die Schwächen der EU reden.

derStandard.at: Hier verlassen Sie sich schon auf Ihre Bekanntheit?

Freund: Nicht nur darauf, dass ich bekannt bin, sondern dass ich meine Bekanntheit mit vielen Produkten wie Büchern und Zeitungsartikeln untermauert habe.

derStandard.at: Ihre Bekanntheit kommt aber hauptsächlich von Ihrer Fernsehpräsenz.

Freund: Es gibt auch Bekanntheit, wie sie Armin Assinger hat. Ihn hat man nicht gefragt. Man hat mich genommen, weil man auf meine Kompetenz vertraut hat.

derStandard.at: Das EU-Thema ist stark von rechtspopulistischen Parteien besetzt. Wie wollen Sie dem entgegensteuern?

Freund: Ich werde einen positiven Wahlkampf führen, aber auch die Schwächen der EU aufzeigen. Die Schreihälse sollen rund um mich herum schreien, ich werde meine Fassung nicht verlieren. Aber wer kann eine Veränderung in der EU herbeiführen? Eine große sozialdemokratische Fraktion oder kleine, rechte, nationalistische Parteien, die im EU-Parlament plötzlich ihre Nationalismen über Bord werfen und zusammenarbeiten wollen?

derStandard.at: Sie haben die Delegationsleitung abgelehnt. Warum wird das nicht die Listenzweite Evelyn Regner machen?

Freund: Ich habe den Vorschlag gemacht, nicht die Delegationsleitung zu übernehmen. Das wird aber erst in einem Gremium nach der Wahl entschieden. Jörg Leichtfried ist derzeit der Delegationsleiter, ich wollte mir nicht anmaßen, den anderen Abgeordneten zu sagen, wo es langgeht. Wissen Sie, wer der Delegationsleiter der deutschen Sozialdemokraten ist? Ich weiß es nicht. So bekannt sind die auch nicht. (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 17.1.2014)