R. Fischer: Kein Unterschied zwischen Lehrern.

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Die Minister für Bildung, Claudia Schmid, und Wissenschaft, Karlheinz Töchterl, bei der Debatte um die Reform im Sommer.

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Konrad Paul Liessmanns Kommentar (Der Standard vom 26. 11. 2013) zu verschiedenen aktuellen Bildungsreformen strotzt vor Halbwahrheiten und tendenziösen Unterstellungen. Er gibt das wieder, was eine Community von Kommentatoren gerüchtebasiert einander immer wieder bestätigt, ohne sich von Fakten irritieren zu lassen - ein sich selbst am Leben erhaltender, quasi autopoietischer Prozess. Die Argumente zu den einzelnen Reformmaßnahmen kennt man nicht, will sie vielleicht gar nicht kennen oder geht zumindest nicht darauf ein. Es ist einfacher, von einem ideologischen Machwerk zu reden.

Hauptkritikpunkt des Kommentars ist die Reform der Ausbildung der Lehrer, für die ich gemeinsam mit einigen Kollegen als Berater der Ministerien mitverantwortlich bin. Zu den Einzelheiten: Ja, die Ausbildung der Lehrer wird vereinheitlicht und auf Bologna umgestellt. Sie soll aber nicht "gleichermaßen" von Pädagogischen Hochschulen und Universitäten im Verbund angeboten werden, vielmehr haben die Pädagogischen Hochschulen die Führungsfunktion im Bereich der Ausbildung der Volksschullehrer und die Universitäten haben sie bei der Ausbildung der Lehrer für die Sekundarstufe (Hauptschule, Neue Mittelschule, Gymnasium).

Eine Verpflichtung zur Kooperation mit Pädagogischen Hochschulen gibt es für die Universitäten nur dann, wenn sie Volksschullehrer ausbilden wollen.

Dass Lehrer "gleich qualifiziert" sein sollen, stimmt insofern, als sie (fast) gleich lang studiert haben werden - etwa zehn Prozent davon gemeinsam; die Aussage stimmt insofern nicht, als die Inhalte der restlichen 90 Prozent so verschieden sein können wie eh und je. Nein, die fachwissenschaftliche Ausbildung wird nicht reduziert - jedenfalls nicht durch die gesetzlichen Vorgaben. Im Vergleich zur derzeitigen Hauptschullehrerausbildung wird der Umfang der fachwissenschaftlichen Ausbildung fast verdreifacht. Die pädagogische Ausbildung für AHS-Lehrer wird um circa ein Semester verlängert, aber eben nicht auf Kosten der Fachausbildung. Das Masterstudium ist verpflichtend. Ein Problem kann bei Lehrermangel auftreten, dieses Problem tritt aber auch ohne Reform auf - dann unterrichten eben Studenten, die nicht einmal Bachelorabschluss haben.

Dass "die Oberstufe verschwindet", verstehe ich nicht; was verschwindet, ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Typen von Lehrern in der Unterstufe. "Der elfjährige Schüler wird dem achtzehnjährigen gleichgestellt" soll wahrscheinlich bedeuten, dass ein Lehrer elf- und 18-Jährige unterrichten darf - nicht muss, Schwerpunktsetzungen sind möglich - das ist aber derzeit in der AHS die Regel.

Dass "die Fächer verschwinden" habe ich nicht bemerkt, vielmehr gibt es den Ruf nach mehr Fächern (Ethik, Politische Bildung usw.) - was ich nicht unterstützen würde, für vernünftiger halte ich weniger, dafür umfangreichere Fächer. Dass "Inhalte aus Lehrplänen verschwinden" ist mir bis jetzt zumindest in meinem Fach, der Mathematik, auch entgangen. Faktenwissen, dessen Verlust Liessmann befürchtet, erlangt in der Zentralmatura für Mathematik eine höhere Bedeutung. Diesbezüglich gibt es gerade einen Aufruhr wegen der Sorge, dass die neue Matura wegen des Abprüfens von Faktenwissen zu schwer sein könnte - entgegen der von Liessmann unterstellten Tendenz, alles leichter zu machen.

Dass Lehrer außer Unterrichten inklusive Vor- und Nachbereitung auch noch anderes zu tun haben, wird im Dienstrechtsentwurf mit bescheidenen zehn Prozent berücksichtigt. Dass damit "Unterrichten zur Nebenbeschäftigung" wird, ist jenseits von Übertreibung. Das ist grotesk.

Konsekutiv-Modell

Liessmann schlägt das Konsekutiv-Modell für die Ausbildung von Lehrern vor: Zuerst ein Fach (oder zwei Fächer?) studieren, dann eine pädagogisch-didaktische Ausbildung dranhängen. Das ist durchaus diskutierenswert und wurde auch diskutiert. Vor 15 Jahren habe ich das auch vertreten. Die Politik wäre dafür wohl zu haben gewesen, insbesondere Bundesministerin Claudia Schmied, ihr sind die Quereinsteiger besonders wichtig. Außerdem wäre es billiger.

Welche "ideologischen Gründe" mich - und andere - bewogen haben, sich für ein anderes Modell zu entscheiden, kann ich nur raten. Vielleicht die folgenden: Ich bin an einer Professionalisierung des Lehrberufs interessiert, nach dem Modell der klassischen akademischen Berufe wie etwa der Mediziner. Und die werden auch nicht durch einen Zusatz zum Biologiestudium ausgebildet. Außerdem wird eine für Lehrer ganz wichtige Fähigkeit in Fachstudien oft nicht vermittelt: das Wesentliche vom weniger Wesentlichen zu unterscheiden; wobei solche Urteile zwar nicht objektiv, aber mehr oder weniger reflektiert sein können. Das alles hat noch gar nichts mit Pädagogik zu tun.

Für ganz wichtig halte ich eine Phase des Zusammenwirkens von akademischer Ausbildung und praktischer Erfahrung - auch als Impuls zur Weiterentwicklung der professionsorientierten Wissenschaften, insbesondere der Fachdidaktiken.

Ich weiß nicht, ob Liessmann sich in seinen Überlegungen mit den Argumenten der Konstrukteure der Reform der Lehrerbildung auseinandergesetzt hat. Aus dem Kommentar ist dies jedenfalls nicht erkennbar. So lese ich eine Anhäufung von möglicherweise "ideologisch motivierten", jedenfalls aber "einem Zeitgeist entsprechenden" Aussagen - unsere Zeit hat ja viele Geister. Ist das nicht der Stil der Oberflächlichkeit und "Unbildung", den Liessmann immer wieder zu Recht beklagt? (Roland Fischer, DER STANDARD, 9.12.2013)