Wien, Gymnasium Albertgasse

Die Freude der Schüler ist groß. Zwei Stunden ist die Schule heute früher zu Ende. Der Grund ist nebensächlich. Die Lehrer sehen das natürlich anders. Das Gymnasium Albertgasse in Wien hat sich dazu entschlossen, die Dienststellenversammlung der Lehrer, wo über das neue Lehrerdienstrecht informiert werden soll, in die letzten beiden Unterrichtsstunden zu legen. Der "Unterricht soll so wenig wie möglich beeinträchtigt" werden, sagt Direktor Roman Wolf. Die Eltern wurden in einem Brief vorab informiert, Betreuung für die zwei Stunden ist gewährleistet.

Die Lehrer an der Schule betrifft das neue Lehrerdienstrecht nicht. Es soll erst für Lehrer ab dem Jahr 2019/2020 in Kraft treten. Trotzdem ist die Stimmung bei der Versammlung emotional. Schüler und Eltern sind der Einladung nicht gefolgt, das Lehrerkollegium ist aber fast vollständig vertreten. "Es geht uns alle an", sagt Gerhard Macho, Gewerkschaftsvertreter an der Schule. Die Lehrer fühlen sich in der Öffentlichkeit falsch dargestellt. Es werden immer nur die zwei Stunden Mehrarbeit thematisiert, nicht aber, dass sich durch das neue Dienstrecht das Schulsystem grundlegend ändert. Es werde ein Sparpaket als Bildungsreform verkauft, das sei grundlegend falsch. Macho beruhigt: "Verzagt nicht! Es gibt viele, die auf unserer Seite sind."

"Das Lehrerbild ist falsch"

Während über das gewerkschaftliche Horrorszenario - Lohnverlust, All-in-Verträge und Stellenabbau – geredet wird, nutzen einige Lehrer und Lehrerinnen die Zeit für Nebenbeschäftigungen: stricken, Unterrichtsmaterial ausschneiden oder am iPad spielen. Aber nicht bei allen kommt die Gewerkschaft gut an. Sonja Vukisevits, Lehrerin für Biologie, Informatik und Physik, findet, dass die Standesvertretung sich mehr für das Image der Lehrer einsetzen hätte können. "Ich ärger mich über die Gewerkschaft", empört sie sich. Seit 25 Jahren unterrichtet sie, am Anfang hätte sie das Lehrerbild in der Öffentlichkeit noch nicht so getroffen, heute sieht sie das anders. Das Auftreten der Lehrergewerkschaft beim Lehrerdienstrecht sieht sie weniger kritisch, denn um etwas zu erreichen, müssten sie so auftreten. Das Image in der Öffentlichkeit ist auch für eine andere Lehrerin Thema. Das Lehrerbild sei falsch, sagt sie: "Es hat keinen Sinn zu informieren, wenn wir am Ende immer als Betonierer dastehen."

Lohn und Mehrarbeit sind aber nicht die einzigen Themen, die an diesem Vormittag die Gemüter erhitzen. Nach dem neuen Dienstrecht müssen Lehrer innerhalb von fünf Jahren ihren Masterabschluss nachholen. Braucht ein Lehrer länger, sei er jederzeit kündbar, kritisiert ein Junglehrer. Besonders erschwerend: Das Studium dürfe nicht mit der Unterrichtszeit kollidieren.

Streik kommt nicht infrage

Auch über weitere Maßnahmen wird diskutiert. Ein Streik kommt für Direktor Wolf nicht infrage, weil ja der Unterricht dann entfallen würde. Auch für die anderen Lehrer steht ein Streik nicht zur Disposition: "Es ist eine Maßnahme, aber nur die Letzte." Bei der Dienststellenversammlung wird mit einer Demonstration – außerhalb der Arbeitszeit – geliebäugelt. Aber auf mehr Zustimmung und Belustigung stößt der Vorschlag, fachfremden Unterricht abzuhalten. Das verleitet die Junglehrer in der vorletzten Reihe zum Scherzen. "Cool, dann mach ich Französisch und Mathematik." Auch "Dienst nach Vorschrift" wird angeregt. "Da sitze ich dann zu Hause mit einer Stoppuhr und höre nach 40 Stunden auf zu arbeiten", sagt ein Junglehrer. Räumt aber gleich ein: "Das wird dann aber wieder auf dem Rücken der Kinder ausgetragen, und wir wissen, dass wir das nicht tun." (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 5.12.2013)

Link: Zur Reportage aus Bregenz

Bregenz, Gymnasium Gallusstraße

Donnerstag, kurz vor 11 Uhr. Jugendliche strömen aus dem Schulviertel hinunter in die Bregenzer Innenstadt. Sie kommen aus dem Gymnasium Gallusstraße, gehen auf den Weihnachtsmarkt oder ins Café. Buben aus der Unterstufe spielen Fußball auf dem Schulsportplatz. Zwei Stunden haben sie schulfrei. Warum? Einer der Fußballer zückt verlegen lächelnd die Schultern: "Dienststellungsodersositzung?" Zwei Mädel aus der vierten Klasse bedauern: "Leider können wir Ihnen nicht sagen, worum es da geht." Und auch ein junger Mann aus der sechsten Klasse "weiß nicht wirklich, was die für eine Sitzung haben".

"Die", das sind die 62 Lehrerinnen und Lehrer. Fast alle sind zur Dienststellenversammlung ins Konferenzzimmer gekommen. Es geht ums Dienstrecht, um die Zukunft der jungen Kollegen. Um jene, die ab 2019 mehr für weniger Gehalt arbeiten müssen, weniger Zeit haben werden für die Schülerinnen und Schüler. Am Ende ihrer Sitzung werden die Lehrenden eine Informationskampagne für Eltern und Lernende beschließen: Per Brief, über die Homepage sowie persönlich will man mit klaren, präzisen Informationen ohne Gewerkschaftsdeutsch erklären, warum das neue Dienstrecht völlig unausgegoren ist, warum dadurch Qualitätsverlust droht.

"Noch mehr Nachhilfe"

Wer, wie im neuen Dienstrecht gefordert, 24 Stunden unterrichten soll und diesen Unterricht auch noch gut vorbereiten will, habe beispielsweise keine Zeit mehr, Hausaufgaben anzuschauen und zu besprechen. "Noch mehr Nachhilfe wird nötig sein, dass müssen wir den Eltern sagen", fordert eine Lehrerin zu offensiver Kommunikation auf.

Die Sitzung verläuft ruhig. Das neue Dienstrecht wird sachlich, aber gnadenlos zerpflückt: Die Arbeitszeit, die neuen Ausbildungsmodelle, die Streichung der Zulagen und parallel dazu die Einführung weiterer Zusatzverpflichtungen halten genauer Analyse nicht stand. "Weniger Zeit für die Schülerinnen, für die Vor- und Nachbereitung, mehr Arbeit für weniger Geld", fasst Werner Wetzel, Vorsitzender des Dienststellenausschusses, zusammen.

Sanfte Mahnung

Gegen Schluss der Versammlung seine sanfte Mahnung: "Hier geht es nicht nur um Information, das ist unsere erste Protestmaßnahme." Was denn aus den von der Gewerkschaft geforderten Kampfmaßnahmen geworden sei, will einer wissen. Von der GÖD habe man seit zwei Wochen nichts mehr gehört, antwortet Wetzel. "Aber wir sind kampfbereit", versichert er. Mit "wir" meint er die Unabhängige Bildungsgewerkschaft (UBG).

Pläne für Großkundgebung

Nächste Woche am Donnerstag soll es eine Großkundgebung geben, "wahrscheinlich", sagt UBG-Obmann Gerhard Rüdisser. Direktor Thomas Mittelberger ist dies zu vage: "Schön wäre es, wenn wir vom BG Gallusstraße jetzt klar sagen würden, dass wir für Kampfmaßnahmen sind." Dann also mehr Druck auf die Gewerkschaft, fordert das Plenum und ist einstimmig für eine Großkundgebung. Und zwar während der Unterrichtszeit.

Der 12. Dezember würde sich dazu eignen, an diesem Tag wollen die Vorarlberger Schüler streiken, und die Pflichtschullehrer treffen sich zu Dienststellenversammmlungen. Womit die Vorarlberger Pflichtschullehrer österreichweit die ersten wären, die Protestmaßnahmen ergreifen, sagt Rüdisser.

Nach gut zwei Stunden geht der Schulalltag weiter. Je nach Stundenplan mit Unterricht, Korrekturen, Vorbereitung oder Mittagspause. (Jutta Berger, derStandard.at, 5.12.2013)