Rudolf Hundstorfer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Erst offenbart die Budgetprognose in Sachen Pensionen ein unerwartetes Kostenplus von 8,7 Milliarden Euro, dann bescheinigt die internationale Wirtschaftsorganisation OECD dem Land einmal mehr ein zu niedriges Pensionsantrittsalter, doch der Sozialminister bleibt bei seinem Mantra. "Ihr könnt sicher sein, dass es keine weiteren Einschnitte geben wird," rief der SPÖ-Politiker seinen Genossen bei einer Konferenz der Metaller-Gewerkschaft Pro-Ge zu: "Man soll nicht sofort wieder schreien: ,Änderung, Änderung, Änderung!'"

Trotz regelmäßiger Sticheleien der ÖVP gegen den vermeintlich reformfaulen Regierungspartner, dürfte Hundstorfer mit dieser Linie bei den Koalitionsverhandlungen durchkommen. Es sieht so aus, als wird es ad hoc tatsächlich keine Änderungen im allgemeinen Pensionssystem geben. Warum, argumentieren schwarze Verhandler ähnlich wie der rote Minister: Erst solle abgewartet werden, wie die bereits eingeleiteten Verschärfungen bei den verschiedenen Frühpensionsvarianten - der Hackler-, Invaliditäts- und Korridorpension - wirken. Fortschritt liest Hundstorfer bereits jetzt aus aktuellen Zahlen. Demnach wurden in den ersten drei Quartalen 2013 um 12,3 Prozent wenige Invaliditätspensionen genehmigt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Zumindest eines wollen SPÖ und ÖVP in einer verbindlichen Verinbarung festlegen: wann die erste Überprüfung stattfindet. Der konkrete Zeitpunkt - frühestens wohl 2015 - war bis zuletzt Gegenstand der koalitionären Gespräche. Am Dienstagabend legte die Verhandlungsuntergruppe zu den Pensionen, die eigentlich schon in der Vorwoche abschließen wollte, eine Extrarunde ein.

Geht es nach der ÖVP, dann soll bei der anstehenden Evaluierung auch ein besonderes Reizthema auf den Tisch kommen: Die Vizekanzlerpartei versucht dem größeren Partner ein Zugeständnis abzuringen, dass bei Bedarf eine vorzeitige Anhebung des gesetzlichen Frauenpensionsalters zur Debatte steht. Passieren könnte dies aber frühestens ab 2019. Nicht nur die SPÖ, auch Vizekanzler Michael Spindelegger hat im Wahlkampf garantiert, dass in der nächsten Regierungsperiode diesbezüglich alles beim Alten bleibt - daran will und muss sich die ÖVP halten.

Keine mageren Jahre

Ausgeschlossen scheint, dass sich gewöhnliche Ruheständler auf weitere magere Jahre einstellen müssen. Ab dem übernächsten Jahr sollen die jährlichen Pensionsanpassungen wieder voll und ganz die Inflation kompensieren. Dafür werden die Extrawürste beschnitten: Bezieher so genannter "Luxuspensionen" müssen sich auf Abschläge gefasst machen (siehe Seite 2).

Eine Einigung zeichnet sich auch in einer seit Jahren zwischen Rot und Schwarz umstrittenen Frage ab: Die Sozialdemokraten drängen auf ein Bonus-Malus-System, das nicht nur vorbildliche Unternehmen belohnt, sondern auch jene straft, die ältere Arbeitnehmer systematisch in Frühpension drängen - wogegen sich die Arbeitgebervertreter lange wehrten. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl gibt sich im Standard-Gespräch nun aber aufgeschlossen. "Ich bin gesprächsoffen", sagt der VP-Politiker und skizziert einen möglichen Weg zur Einigung: Wenn gleichzeitig Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer - etwa die Arbeitslosenbeiträge - und die derzeitige, undifferenzierte Kündigungsabgabe gestrichen werden, sei ein neues Malussystem denkbar.

Dass in Sachen Pensionsreform viel von künftiger Evaluierung die Rede statt von raschen Eingriffen die Rede ist, goutiert Leitl, der für die ÖVP das Thema Wachstum, aber nicht die Pensionen verhandelt, nicht: "' Schauen wir einmal, was alles kommt', ist eine typisch österreichische Lösung."

Kolportiert wird, dass die ÖVP die 2008 verworfene Idee einer Pensionsautomatik wieder aufgreifen will. Der Mechanismus dahinter: Werden bestimmte Referenzwerte, etwa bei der Lebenserwartung, überschritten, steigt das gesetzliche Pensionsalter automatisch.

Streitfall an einer anderen Front: Dem Vernehmen nach könnte die Eigenständigkeit der Länderkrankenkassen einer Strukturreform zum Opfer fallen - dabei rangeln beide Seiten intensiv, um den Einflussverlust möglichst in Grenzen zu halten.

Für den Endspurt bei den Koalitionsgesprächen wollen sich die SP-Verhandler Rückendeckung in den eigenen Reihen holen: Heute, Mittwoch, tagen Präsidium und Vorstand, um einen Maßnahmenkatalog zu abzusegnen, wie die Budgetprobleme zu bewältigen sind. (Gerald John, DER STANDARD, 27.11.2013)