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Ministerin Karl kündigt ein Maßnahmenpaket für den Jugendstrafvollzug an.

Foto: apa/ Jäger

Wien - Im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen im Jugendstrafvollzug und ihren teils heftig kritisierten Stellungnahmen präsentierte Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Freitag ein 25 Punkte umfassendes Maßnahmenpaket. Zuvor habe sie sich mit allen zwölf Leitern von Haftanstalten mit Jugendabteilungen über die geplanten Umstrukturierungen beraten.

Überschattet wurde das Treffen durch die Nachricht eines weiteren Zwischenfalls in der JA Gerasdorf. Donnerstagabend hatte sich dort ein 18-Jähriger das Leben genommen, wie Karl bekannt gab.

Taskforce "Jugend U-Haft"

Künftig sollen Übergriffe in Haft statistisch erfasst werden. Als Alternative zur U-Haft für Jugendliche forciere sie nun Wohngemeinschaften für mutmaßliche jugendliche Straftäter, sagte die Ministerin. In diesen Einheiten sollten Sozialarbeiter die Betreuung übernehmen.

Bereits gestern kündigte Karl folgende wesentliche Maßnahmen in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Presse" an:

  • Eine Taskforce "Jugend U-Haft" soll ab 16. Juli Verbesserungen der Untersuchungshaft für Jugendliche erarbeiten und erste Ergebnisse in drei Monaten vorlegen.
  • Die Belegung von Haftzellen soll bei jeweils zwei Personen als Regel liegen. Auch vermehrte Einzelunterbringungen sollten eingeführt werden.
  • Es solle mehr Beschäftigungs- und Arbeitsangebote geben.
  • Die Informationspflicht der Anstalten solle erweitert werden. Außerdem wolle man die Sicherheitsvorkehrungen verstärken. So werde etwa ein eigener Nachtdienstposten in der Jugendabteilung der Josefstadt eingerichtet.
  • Die Justizbediensteten sollten fortgebildet, deren Sensibilität gesteigert werden. Für die Justizwache wolle man mehr Personal bereitstellen. Zahlen hätte die Ministerin allerdings keine nennen können, so die Tageszeitung.
  • Für inhaftierte Jugendliche werde ein verbessertes Beschwerdemanagement eingeführt.
  • Durch Unterbringung entweder in einer Wohngemeinschaft oder Hausarrest solle es künftig weniger Inhaftierungen von Jugendlichen geben. Voraussichtlich werde man auch die elektronische Fußfessel einsetzen. Außerdem solle es vermehrt "gemeinnützige Arbeit statt Haft" geben.
  • Eine neue Justizanstalt, die bis 2017 im Großraum Wien errichtet werde, solle auch einen Jugend-Pavillon bekommen.
  • Die Jugendgerichtshilfe solle in Zukunft eingebunden werden, wenn es um eine eventuelle Beantragung der Untersuchungshaft für Jugendliche geht. Deren Verhängung sollte "besser" abgewogen werden.

Es gelte jetzt, so Karl, sich diesen Herausforderungen zu stellen: "Und dafür brauchen wir mehr Personal!" Wie viel zusätzliches Personal es geben soll, konnte Karl noch nicht sagen, dies werde aber bei den nächsten Budgetverhandlungen Thema sein.

Renovierung bestehender Gefängnisse

Neben dem geplanten Neubau einer weiteren Justizanstalt im Großraum Wien will Karl die bestehenden Gefängnisse sanieren lassen. Die Anstalten im Wiener Raum wären "renovierungsbedürftig. Seit 30 Jahren hat sich in der Infrastruktur nichts Entscheidendes verändert."

Schweiz als Vorbild

Geprüft wird auch, ob in einigen Fällen unbedingte Freiheitsstrafen in gemeinnützige Arbeit umgewandelt werden kann. Karl sieht bei dieser Maßnahme die Schweiz als Vorbild. "Schön wäre, wenn kein Jugendlicher in Haft sein müsste, aber das ist Ideologie", so Karl.

"Es geht um Sachpolitik, nicht um populistische Schnellschüsse"

Auf die Frage, weshalb sie das Maßnahmenpaket erst jetzt erstellt habe, obwohl seit Jänner 2013 ein Bericht des Ludwig Boltzmann Instituts vorliegt, der sich äußerst kritisch mit den Haftbedingungen für Jugendliche auseinandersetzt, meinte Karl: "Es geht um Sachpolitik, nicht um populistische Schnellschüsse."

Sie halte nichts davon, "Maßnahmen hinauszuposaunen, die nicht umzusetzen sind." Die nun vorgelegten Pläne wären gut überlegt, deswegen könne sie sie jetzt "guten Gewissens der Öffentlichkeit präsentieren".

Kritik der Opposition

Von Seiten der Opposition hagelte es nach der Präsentation Kritik. BZÖ-Justizsprecher Gerald Grosz forderte die sofortige Einberufung einer Sondersitzung des Nationalrates. "Es ist Zeit, dass der Nationalrat mittels konkreten Beschlüssen die Haftbedingungen für jugendliche Straftäter menschenrechtskonform ausrichtet", so Grosz.

Auch das Team Stronach forderte, den Jugendstrafvollzug komplett auf neue Beine zu stellen. Karl habe die Verantwortung für den Selbstmord des 18-jährigen Häftling, die jüngsten Missbrauchsfälle wie die Vorwürfe der Gewalt durch Wachpersonal zu tragen, sagte Team Stronach-Jugendsprecher Stefan Markowitz.

Für die Grünen kommt das Maßnahmenpaket zu spät: "Es ist bedauerlich, was alles passieren muss, damit sich eine Justizministerin für den Strafvollzug interessiert", so Justizsprecher Albert Steinhauser. 

Zustimmung von SPÖ und ÖVP

SPÖ und NGOs wie der Weißen Ring begrüßten das Maßnahmenpaket. Allerdings wurde die Wiedereinführung des Jugendgerichtshofes vermisst.

2003 hätten der damalige FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer und die damalige ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter den international "mit hohem Lobversehenen Wiener Jugendgerichtshof zerschlagen". "Das hat zur gegenwärtigunerträglichen Situation geführt. Dieser Fehler muss rasch rückgängiggemacht werden, im Sinne der Würde der Jugendlichen in Haft und ihrer Chancen auf erfolgreiche Resozialisierung", betonte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. 

Zustimmung für das Maßnahmenpaket bekam Karl aus den eigenen Reihen:"Justizministerin Beatrix Karl zeigt damit, dass sie trotz persönlichenAngriffen und Hetzkampagnen das, was wirklich zählt, nicht aus den Augenverliert - nämlich die Probleme im Vollzug anzugehen und Alternativen zurJugend U-Haft zu schaffen", sagte ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath. (red/APA, 12.7.2013)