Wien - Der Psychomarkt ist in den letzten Jahren zu einem fast unüberschaubaren Sammelsurium an Therapie- und Beratungsangeboten angewachsen. Um hier endlich klare Strukturen zu schaffen und vor allem professionelle psychotherapeutische Behandlungen von Laienberatungen abzugrenzen, wird seit sieben Jahren an einem neuen Psychologengesetz gebastelt.

"Es geht im Grunde darum, dass Patienten wissen, dass bei Behandlungsangeboten sozusagen das drinnen ist, was draufsteht", sagt SPÖ-Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser, die momentan mit intensiver politischer Krisenintervention beschäftigt ist. Der Entwurf des neuen Psychologengesetzes, einige unscharfe Formulierungen darinnen, haben unter Ärzten, Psychiatern und Psychotherapeuten Ängste ausgelöst, sie könnten durch das neue Gesetzeswerk von den Psychologen overruled und in ihrer therapeutischen Arbeit beschränkt werden. Sie lesen aus dem Gesetz heraus, dass Psychologen praktisch die Oberhoheit über Diagnose und Behandlung von psychischen Störungen bekommen.

Streit um Psychotests

Diagnostische Interviews und Testverfahren dürften künftig nur noch von klinischen Psychologen durchgeführt werden. Psychologen dürften demnach Diagnosen an psychisch Kranken stellen, noch bevor es den "viel umfassender ausgebildeten Psychiatern oder Psychotherapeuten erlaubt sei, ihre Arbeit aufnehmen", formulieren die Kritiker ihren Protest. "Es sind wirklich nur Missverständnisse, der Gesetzestext ist teilweise vielleicht unklar formuliert", gibt Sabine Oberhauser zu. Er werde nachgebessert.

Für Psychologen sind Tests, Diagnoseverfahren und standardisierte Interviews natürlich Assets, sind sich doch - im Gegensatz zu Ärzten oder Psychiatern - wesentlicher Bestandteil ihrer universitären Ausbildung. Natürlich sei die Sache mit den Tests ein wichtiger Punkt, er richte sich aber weniger gegen Psychiater, Ärzte oder Psychotherapeuten, sagt die Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Psychologen (BÖP), Ulla Konrad. "Es gibt etwa Fälle, wo Lehrer hochsensible Tests mit Kinder durchführen, ohne den wissenschaftlichen Background zu kennen. Es geht darum, derartige laienhafte Verwendungen abzustellen. Wir arbeiten ja mit Psychiatern eng zusammen. Psychiater haben ihre eigenen Diagnosemodelle und die Psychologen eben auch. Das ergänzt sich. Wir wollen niemandem etwas wegnehmen. Ich verstehe die Panik nicht. Es geht doch nur um die Trennlinie zu den angrenzenden Berufsgruppen", argumentiert Konrad im Gespräch mi dem Standard.

Eva Mückstein, die Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), stieß sich aber auch daran, dass die klinischen Psychologen künftig psychische Störungen mit Techniken aus der Psychotherapie behandeln dürfen, ohne die entsprechende Ausbildung absolviert zu haben. Auch hier liege nur ein Missverständnis vor, sagen Konrad und Oberhauser:

Im Hintergrund des Konfliktes um das Psychologengesetz stehen aber zweifelsfrei Machtkämpfe zwischen Ärzten, Psychiatern, Psychologen und Psychotherapeuten um den ebenso umstrittenen, wie lukrativen Psychomarkt. Allein die Kosten der in Österreich jährlich verabreichten Psychopharmaka im Ausmaß von rund 250 Millionen Euro verdeutlicht die ökonomische Dimension des Psycho-Sektors.

Schmalspur-Ausbildung

Die Diskussion um das Psychologengesetz brachte aber noch ein anderes Dilemma zum Vorschein - jenes der psychotherapeutischen Ausbildung. Hier fehlt es seit Jahren an einer einheitlichen Struktur. Den Titel " Psychotherapeut/Psychotherapeutin" kann im Grunde jeder erwerben, Matura ist keine Voraussetzung. Ärzten wurde von Psychologen immer wieder vorgeworfen, über die Kammer eine Gratis-Schmalspurausbildung zu absolvieren, um psychotherapeutische Therapien anbieten zu können. Zudem bekommen Ärzte für Psychotherapiestunden von der Kasse mehr abgegolten als Psychologen, die dieselben Therapiestunden abhalten. "Wir werden in jedem Fall als Nächstes das Psychotherapiegesetz ändern", kündigt Oberhauser an. (Walter Müller, DER STANDARD, 22.6.2013)