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Gezi-Park am Donnerstag: Der deutsche Pianist Davide Martello unterhält die Demonstranten.

Foto: REUTERS/Yannis Behrakis

Ankara/Istanbul - Im Streit um den Istanbuler Gezi-Park, der zu wochenlangen und teilweise von Gewalt begleiteten Demonstrationen geführt hat, will die türkische Führung nun einlenken. Nach einem Treffen von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan mit Vertretern der sogenannten Taksim-Plattform in der Nacht auf Freitag in Ankara sagte Regierungssprecher Hüseyin Çelik, dass die Regierung nunmehr die endgültige Entscheidung des Gerichts abwarten wolle, das die Bauarbeiten gestoppt hatte.

Sollte das Gericht im Berufungsverfahren den Baustopp bestätigen, werde die Regierung das akzeptieren, berichtete die Zeitung "Hürriyet" online. Sollte es hingegen grünes Licht für den Bau einer osmanischen Kaserne geben, wolle die Regierung die endgültige Entscheidung der Bevölkerung in einem Referendum überlassen. "Wir wollen wissen, was die Bürger Istanbuls denken, ihre Entscheidung ist sehr wichtig für uns", so Celik.

"Die Türkei ist ein Rechtsstaat, wir sind dementsprechend zum Respekt vor den Entscheidungen der Justiz angehalten", zitierte die Zeitung "Hürriyet" Celik, der die Demonstranten aber auch unmissverständlich zum Verlassen des Parks aufforderte.

Demonstranten beraten nach Treffen mit Erdogan

Die Protestbewegung berät unterdessen nach dem nächtlichen Krisentreffen mit Erdogan über das weitere Vorgehen. Vertreter der Taksim-Plattform hätten bei dem Gespräch ihre Forderungen bekräftigt, teilte die Gruppe am Freitag mit. Entscheidungen der Demonstranten sollten nun gemeinsam getroffen werden.

Erdogan hatte am Donnerstagabend erstmals seit dem Ausbruch der Proteste vor zwei Wochen direkt mit Vertretern des Protestbündnisses diskutiert. Fast vier Stunden dauerte das Treffen mit der zehnköpfigen Delegation in der Residenz des Ministerpräsidenten, der wenige Stunden zuvor noch eine "letzte Warnung" an die Demonstranten ausgesprochen hatte, den Park umgehend zu verlassen.

Gül: Unzufriedene können andere Parteien wählen

Staatspräsident Abdullah Gül spielte unterdessen die Proteste herunter. Es sei ganz normal für Demonstranten, sich ein "besseres System" zu wünschen, sagte Gül der kanadischen Zeitung "The Globe and Mail" am Donnerstag. Auch in New York und London seien Menschen für mehr Demokratie auf die Straße gegangen, das gelte auch für Istanbul.

Die türkische Regierung sei "offen und transparent" in einer Wahl mit 85 Prozent Beteiligung gewählt worden, sagte Gül. Wenn die Bevölkerung unzufrieden sei, könne sie im kommenden Jahr für eine andere Partei stimmen. Das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten bewertete Gül als verhältnismäßig.

Spindelegger will "Finger auf die Wunde legen"

Dagegen kritisierte Außenminister Michael Spindelegger am Donnerstag, dass die türkischen Sicherheitskräfte "ein erschreckendes Maß an Gewalt und Einschüchterung an den Tag gelegt" hätten. Er schlug vor, in den EU-Beitrittsgesprächen mit der Türkei das Grundrechtskapitel zu eröffnen, um "den Finger auf die Wunde zu legen".

Beim gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten gab es seit Ende Mai vier Tote und laut Ärzteorganisationen etwa 5.000 Verletzte. (APA, 14.6.2013)