Die Ouya-Entwickler haben in den kommenden zwei Monaten bis zum Start noch jede Menge Arbeit vor sich und sollten tunlichst große Spiele an Land ziehen.

Foto: Boxer8

Die Hersteller der via Kickstarter ausfinanzierten Android-Konsole Ouya haben vor kurzem begonnen, ihr Produkt an die Crowdfunder-Unterstützer auszuliefern. Fertig ist es allerdings noch nicht, der offizielle Retail-Launch soll im Juni erfolgen.

Die Konsole wird von verschiedenen Macken geplagt und das Spieleangebot ist noch sehr begrenzt. Schon in den ersten Hands-ons hielt sich die Euphorie der Tester in überschaubaren Grenzen. Nach Ansicht von Joystiq bewegt das Spieleangebot noch keine Kinnläden nach unten. Die Verzögerung zwischen Controllerbewegungen und ihrer Umsetzung im jeweiligen Spiel wurde wiederum bei Polygon kritisiert.

Neue Reviews

Dem gesellen sich nun weitere Testberichte hinzu, mittlerweile haben sich auch The Verge und Engadget eine erste Meinung über das Gerät gebildet. The Verge-Redakteur David Pierce geht dabei hart ins Gericht mit der jungen Plattform.

Kompakt, günstig, einfach, hackfreundlich – und das Versprechen, interessante Spiele von ihren Smartphone-Bildschirmen auf den Fernseher zu holen. Als die Entwickler im Juli 2012 ihre Crowdfunding-Kampagne starteten, konnten sie offenbar einen Nerv treffen, attestiert er einleitend. Nicht umsonst stellte das Projekt mit knapp 8,6 Millionen Dollar einen neuen Rekord auf.

Takeaway-Box

Neun Monate später ist die Ouya jetzt da und Pierce ernüchtert. Auch wenn die Ästhetik für ihn eine untergeordnete Rolle spielt, kann er die Aufregung um das von Designer Yves Behar gestaltete Äußere (das bei anderen Testern durchaus auf Anklang stieß) nicht nachvollziehen.

"Ich kann nicht anders, als an eine Takeaway-Box für chinesisches Essen zu denken, wenn ich sie ansehe", schreibt der Autor. Immerhin, wer sein eigenes Gehäuse mit 3D-Druck erzeugen will, kann dies tun. Die Entwickler haben die Blueprints dafür offengelegt.

Licht und Schatten beim Controller

Lob findet er für den Controller, der stimmig gestaltet ist und vorne zwei abnehmbare Panels hat, unter welchen sich die Batterien verbergen. Die magnetische Befestigung scheint jedoch nicht übermäßig gut zu halten, was dem Steuergerät wegen der lose scheinenden Teile ein ungutes, billiges Gefühl verleiht.

Einen Gefallen hat man sich auch mit der Platzierung der Buchstaben auf den Buttons – analog zum Namen sind diese mit O, U, Y und A beschriftet – getan. Wo sich bei der Xbox üblicherweise der A-Knopf befindet, liegt nun ein O. Das A dafür belegt jenen Platz, wo bei Microsofts Produkt ein B zu finden ist. Am Ende eine Gewohnheitssache, mit der sich Xbox-Besitzer schwer tun könnten.

Einen guten Eindruck hinterlassen dafür die beiden Analogsticks, deren Widerstand gut austariert wurde, während die Oberfläche sie zuverlässig am Finger hält. Ärgerlich ist die bereits erwähnte Verzögerung zwischen Bewegungen und Spielgeschehen. "Die Hälfte der Zeit schien alles perfekt synchron zu laufen, während der anderen Hälfte schien alles einen Tick später darauf zu reagieren, was ich mit meinem Daumen gemacht habe", klagt Pierce.

Interface: schön, aber nicht durchdacht

Die Oberfläche des Ouya-Systems auf Basis von Android 4.1 erinnert ein wenig an das an die an Modern UI-angelehnte Menü der Xbox 360 und ist in Orange, Grau und Blau gehalten, viele Dialogelemente entsprechen aber immer noch 1:1 "Vanilla Android".

Zugriff auf alle Funktionen bieten die vier Menüs Play, Discover, Make und Manage. Die Gestaltung ersterer Abteilung ist optisch zwar ansprechend, aber im Handling auf einem TV-Bildschirm etwas unpraktisch. Die Spiele werden in zwei Reihen im unteren Bildschirmdrittel gelistet, was bei größeren Sammlungen häufiges Seitwärtsscrollen nötig macht. Das sie nach Datum der Installation von links nach rechts sortiert werden, macht die Sache nicht einfacher. Andere Reihungsmöglichkeiten gibt es noch nicht.

Große Titel fehlen

"Discover" zeigt die Spieleauswahl am Ouya-Marktplatz und bietet eine Featured-Sektion. Die dortigen Titel werden nicht die aktuell am meisten heruntergeladenen, sondern die am öftesten gespielten Games aufgeführt. Eingeteilt werden die Produkte in Genres. In der "Sandbox" finden sich Titel, die in Sachen Beliebtheit noch einen bestimmten Mindestwert unterschreiten. Neben einigen interessanten Titeln finden sich dort auch noch fehlerbehaftete Alpha- und Betaversionen. Das Gesamtangebot im Store umfasst aktuell rund 100 Titel.

Darunter sind allerlei interessante Produktionen, etwa "Final Fantasy 3", "The Ball" oder "Beast Boxing Turbo". Kracher, die geeignet wären, die Spieler zur Ouya zu verführen, fehlen jedoch. Die Idee, hier ein eigenes Ökosystem zu schaffen, statt die Ouya direkt an Googles Play Store anzubinden, könnte sich als Fehltritt erweisen.

Die Schattenseiten von "Free-to-Play"

Auch aus einem anderen Grund: Alle Ouya-Games sind prinzipiell Free-to-Play, womit man sich angesichts der Hackbarkeit von Software und Gerät wohl eventueller Pirateriesorgen entledigen will. Als Konsequenz präsentieren nicht wenige Entwickler den Spielern Pop-ups, Banner und Aufforderungen, den jeweiligen Titel via In-App-Kauf vollumfänglich freizuschalten.

Beim Einrichten der Ouya gibt man seine Kreditkarteninformation ein. Laut Pierce ist es möglich, versehentlich ein Spielupgrade zu erwerben, weil man dank eines Hängers des Controllers gerade den falschen Button betätigt hat – denn oft genug erscheint vor dem Kauf kein weiterer Dialog zur Bestätigung. Auch hier wird nachgebessert werden müssen.

Offenheit kein Argument für die Masse

Bleibt immer noch die Hackbarkeit als Argument. Durch das Lösen von vier Schrauben erhält man Zugang zum kompletten Innenleben des Geräts. Und auch das System selbst steht zum Basteln offen. In der Realität dürfte aber selbst das manuelle Nachinstallieren und Starten von Programmpaketen außerhalb des Ouya-Marktplatzes über ihr APK-Paket die meisten Nutzer überfordern. Ein Kaufanreiz für die Masse ist die große Offenheit also nicht.

Sparsamer Würfel

An der Optik der Ouya nichts auszusetzen hat man bei Engadget. Hier hebt man positiv hervor, dass – im Gegensatz zu vielen anderen Gadgets – das HDMI-Kabel gleich mitgeliefert wurde. Auch die Energiesparsamkeit ist durchaus ein Argument. Während eine Xbox 360 in alter Fassung bis 180 und in der jüngeren Ausgabe bis zu 90 Watt im laufenden Betrieb verbraucht, kommt die Ouya während des Spielens auf 4,5 Watt und im Standby gar nur auf einen.

Die Kritik an den austauschbaren Frontplatten des Controllers teilt man allerdings. "Eine interessante Idee", schreibt Autor Tim Stevens, "die Ausführung kann man aber nur einen Designmangel nennen". Die sechs Magnete, die jede der beiden Abdeckungen an ihrem Platz halten sollen, sind schlichtweg nicht stark genug, was mitunter dazu führt, dass man mit den Analogsticks oder einzelnen Buttons daran hängen bleibt. Keine guten Voraussetzungen für jenen Teil des Gesamtpakets, der als "Liebesbrief" an die Spieler gedacht war.

Gratis und doch nicht kostenlos

Mit der Kritik am Interface spart Engadget, dafür ist man auch hier vom "Free-to-Play"-Konzept à la Ouya nicht überzeugt. "Ein Kennzeichen der Ouya ist es, dass alle Spiele kostenlos heruntergeladen können werden. Traurigerweise sagt das nichts darüber aus, was sie tatsächlich kosten."

In Sachen Spielen stößt man ebenfalls ins gleiche Horn. Die reine Anzahl der Spiele zum Start mag imposant wirken, die Anzahl der wirklich herausragenden Titel ist aber überschaubar. Und die wiederum sind großteils schon lange auf anderen Plattformen zu bekommen.

Ausblick: Spieleangebot bleibt Knackpunkt

Was übrig bleibt, ist eine kleine Konsole mit großem Potenzial und vielen offenen Fragen. Bei der Software ist freilich mit Nachbesserungen zu rechnen, die Entwickler werden nicht müde zu betonen, dass man eigentlich erst am Anfang stehe. Die Übertragungsschwierigkeiten mit dem Bluetooth-Controller dürften auch in den Griff zu kriegen sein.

Anders sieht das mit Konstruktionsfehlern, wie den Abdeckungen des Pads aus. Hier kann man in der Produktion für künftige Lieferungen nachjustieren, was den aktuell zum Betatester-Dasein verdammten Kickstarter-Spendern, die die Ouya erst ermöglicht haben, nicht viel hilft.

Das größte Sorgenkind ist und bleibt aber das Spieleangebot. Um sich wirklich langfristig zu etablieren, müssen nicht nur mehr, sondern vor allem größere und bekannte Produktionen für die Konsole verfügbar werden. Auch der eine oder andere gute Exklusivtitel dürfte nicht schaden.

Im aktuellen Zustand ist die Ouya "ihr Geld nicht wert", befindet The Verge, und gibt der Ouya 3,5 von zehn Punkten. Bei Engadget enthält man sich eines finalen Urteils und verweist, wenn auch mit skeptischen Untertönen, auf den nahenden Retail-Start. (gpi, derStandard.at, 05.04.2013)