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Ein Graureiher beobachtet den Spreegraben in der Nähe das Berliner Doms in Berlin. Der ohrenbetäubende Baulärm des zukünftigen Berliner Stadtschlosses scheint ihn nicht zu stören.

Foto: APA/Rainer Jensen

Ein Fuchs in Berlin. Füchse gelten als Vorzeigetiere, wenn es darum geht, dass Wildtiere in städtische Räume vordringen.

Foto: Dumont Verlag

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Graukopf-Flughunde stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Im Botanischen Garten von Sydney frönen sie einem munteren Treiben und haben dadurch mit ihrem Kot schon viele Baumriesen zerstört.

Foto: AP/MARK BAKER

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Ein Riesenkauz fliegt vor der Oper von Sydney. Der scheue Greifvogel wagt sich seit einigen Jahren immer weiter in dicht besiedelte Gebiete vor.

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Der Graureiher kennt kein Pardon. Mit einem einzigen Ruck verschlingt er einen hellorangen Zierfisch, der so lang wie ein Unterarm ist. Einige Berliner warten auf eine S-Bahn und beobachten das Spektakel. Die Reaktion der wartenden Menschen reicht von Begeisterung bis Befremden. Fressen und Gefressenwerden mitten in einem Volkspark: Das kann den Städter schon einmal aus dem Konzept bringen. Dabei handelt es sich um eine Szene, die Bernhard Kegel in "Tiere in der Stadt - Eine Naturgeschichte" beschreibt.

Der deutsche Schriftsteller und Autor nimmt die Leser in seinem neuen Buch auf eine Welt- und gleichzeitig Forschungsreise vor die eigene Haustür mit und stellt Tierarten und deren Geschichten in verschiedenen Großstädten vor. Denn immer mehr Wildtiere trauen sich von Wald und Flur in die Ballungszentren vor, um dort von Wärme, Nahrung und relativer Sicherheit zu profitieren. Kegels Buch hat also eine tröstliche Botschaft: Die Wildnis lässt sich auch von Stein, Beton und Asphalt nicht verdrängen.

Batman-Silhouetten in Sydney

Auf der anderen Seite des Globus, in den Metropolen Australiens, laden Parks ebenfalls zur Entspannung vom hektischen Treiben der Großstadt ein. Und diese Einladung nehmen nicht nur Menschen an. Wie reife Früchte hängt brauner Pelz von vielen Ästen im Royal Botanical Garden von Sydney. Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass es sich um tausende Graukopf-Flughunde handelt - unmittelbar in der Nähe der Oper von Sydney und zahlreichen gewaltigen Hochhäusern von Großkonzernen.

20.000 Flughunde soll es in Sydney geben. Die Stadt fungiert hier nicht mehr als Gegenteil der Natur, sondern als möglicher Lebensraum. Doch das Bild in der Stadt trügt. Sowohl Mensch als auch Flughund bevorzugen die schmalen Küstenstreifen im Osten des Kontinents. Das führt besonders in landwirtschaftlich genutzten Gegenden zu Konflikten. In den Obst- und Zuckerrohrplantagen gelten die Tiere als Schädlinge. Die Zahl der Graukopf-Flughunde hat daher in den vergangenen Jahrzehnten derart rapide abgenommen, dass sie 2008 auf die Rote Liste der gefährdeten Tierarten aufgenommen werden mussten.

Zum Umsiedeln animieren

In der Stadt scheinen also manchmal andere Gesetze zu gelten, was das Miteinander von Mensch und Tier anbelangt. Doch die Oase für die Flughunde ist bedroht. Ihr ätzender Kot schadet den alten Baumriesen, viele Äste ragen bereits nackt in den Himmel. 30 Palmen und 28 Bäume sind bereits völlig abgestorben, 300 weitere zeigen Schäden.

Die Bewohner Sydneys wollen ihren Flughunden aber gar nicht an den Pelz, sondern sie nur zum Übersiedeln animieren. Aber weder stinkende Fischpaste, noch Blitzlichtgewitter, noch Säckchen mit dem Kot von Pythons vertreibt sie. Im Moment läuft ein Versuch mit Lärm, der ertönt, wenn Schlafenszeit der Flughunde ist.

Scheue Eule jagt wieder in Großstadt

Nicht nur die "präpotenten" Tierarten setzen sich im urbanen Raum durch: Auch ehemals scheue Tierarten können wieder Teil einer Stadt werden. Ein Beispiel ist der Riesenkauz, die größte Eule Australiens. Der Greifvogel gilt als nervös und scheu, macht sich aber seit einigen Jahren das üppige Nahrungsangebot der Stadt zunutze. Und vielleicht helfen sie bald das Flughundproblem zu lösen: In den Höhlen der Eulen wurden auch Flughundknochen gefunden.

Es ist nicht nur das zusätzliche Nahrungsangebot, das die Tiere dazu verleitet, jegliche Scheu abzulegen und die Großstädte zu besiedeln. "Städte sind riesige, aus Gigatonnen von Stein, Asphalt, Beton und Glas aufgetürmte Kunstfelsmassive, voller Höhlen, Nistplätze und Unterschlüpfe, warm und trocken und vergleichsweise sicher", schreibt Kegel. Das erlaubt auch in der Stadt nach den Spielregeln der Wildnis zu leben.

Schutz der Wildtiere darf nicht zu kurz kommen

Der Autor weist auch auf ein Paradoxon hin: Die weltweit voranschreitende Urbanisierung sei eine schwerwiegende Ursache für das Schwinden der biologischen Vielfalt. Gleichzeitig ist in den Städten selbst eine artenreiche Stadtnatur entstanden. Für viele Wildtiere wird der urbane Filter jedoch für immer ein undurchdringbares Hindernis bleiben. Daher kommt der Autor zu dem Schluss, dass jene Tiere eben "dort geschützt werden müssen, wo sie leben." (Julia Schilly, derStandard.at, 12.4.2013)