Titelseite des türkischen Satiremagazins "Girgir": Eine Stewardess von Turkish Airlines versucht, prima Fruchtsaft loszuwerden. "Um Allahs willen, probieren sie doch. Das bringt Sie auf einen anderen Trip!" – "Ich möchte eher nicht, danke", antwortet der Fluggast.

Foto: Bey

Jetzt einmal nur so angenommen und um die Dramatik zu veranschaulichen: Wenn Lufthansa – seit nun vier Jahren Eigentümer der Austrian Airlines – mit der Germanisierung ernst machen täte, dann müsste man sich auch in den AUA-Maschinen fortan auf die aalglatten Ledersitze bequemen und sich von hoch gewachsenen Blondinen anherrschen lassen. Statt Veltliner gäbe es dann irgendwas von der Mosel, und die Piloten müssten mit Vornamen Olaf und Hans-Dieter heißen. Also bitte.

Im vorliegenden Fall geht es um die Islamisierung des Kabineninnenlebens oder zumindest um die befürchtete Islamisierung, den Einzug religiösen Biedersinns und freundlich-moralischer Lebensanleitung, zehn Kilometer über dem Boden. Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen hat sich Turkish Airlines diesen Schuh anziehen müssen, und man mag ermessen, was für ein Albtraum die fliegende Moschee für den weltlichen Teil der Türken ist.

Tim Arangos Artikel in der "Herald Tribune" diese Woche trug den vorsichtigen Titel "Airline becomes focus of Turk's cultural conflict" (in der Ausgabe der "NYT" lautete er anders), was auf die alten Debatten "Kopftuch auf, Kopftuch ab" im Land verweist. Denn was wahr und falsch ist an der Islamisierung des Fluggastservices von Turkish Airlines, lässt sich nicht so leicht auseinanderhalten.

Erstes Beispiel: Die Absetzung der außerordentlich populären, aber von Regierungschef Tayyip Erdogan öffentlich geächteten TV-Serie "Prächtiges Jahrhundert" (Muhteşem Yüzyil) vom Videoprogramm auf Turkish-Airlines-Flügen hat es nicht gegeben. Das versicherte mir der Chef von Turkish Airlines, Temel Kotil, als ich ihn zum Interview traf. Der dem Trunk und den Frauen zugeneigte Super-Sultan Süleyman aus der Fernsehserie sei eine Schmähung der wahren türkischen Werte und müsse strafrechtlich verfolgt werden, hatte Erdogan angeordnet. Die Serie lief aber nie auf Flügen, erklärte Kotil, ergo auch keine Absetzung. Man nähme nur Videos ins Programm, die dem Geschmack der Fluggäste entsprächen, sagte der Airline-Chef, der die Serie "persönlich" nicht mag wegen ihrer Slang-Sprache. Das Argument mit dem Geschmack ist allerdings etwas überraschend, schließlich schauen sich Hunderttausende in der Türkei, Griechenland, auf dem Balkan und in Russland den prächtigen Sultan an.

Zweites Kapitel: Die neuen züchtigen Uniformen für die Stewardessen. Türkische Tageszeitungen zeigten Anfang des Monats Bilder von Airline-Damen in weinroten Roben, die alle weiblichen Linien verschwinden lassen und zum Teil bis zum Boden reichen. Das sei nur ein Entwurf, ein Vorschlag unter vielen, versuchte Turkish Airlines zu beruhigen, berief eine Presskonferenz ein und präsentierte auch verwegene westliche Uniformen, die derzeit im Management diskutiert würden. Die englischsprachige Ausgabe von "Hürriyet" hat eine schöne Galerie dazu, und wer Recht hat, wird man ja wohl bald in der Flugkabine sehen.

Teil drei: Kein Alk mehr. Das ist verbrieft und amtlich – auf Inlandsflügen und zu manchen Destinationen im Ausland reicht Turkish Airlines keine alkoholischen Getränke mehr. Nicht etwa aus Kostengründen oder weil es Stewardessen satt haben, von angetrunkenen Passagieren betatscht zu werden. Auf Flügen innerhalb der Türkei, wo Wein und Bier ohnehin nur in der Businessclass floss, habe es zu wenig Nachfrage gegeben, erklärte die Fluggesellschaft; aber auf Flügen in die fürchterlich wilden Partystädte Istanbul, Ankara (!), Antalya, Bodrum und Dalaman bleibt alles beim Alten. Bei Auslandsflügen hätten acht Länder gebeten, keinen Alkohol mehr aufzutischen, sagt Turkish Airlines. Österreich ist nicht dabei. Puh. (Markus Bernath, derStandard.at, 25.2.2013)