"Es wäre unrealistisch zu glauben, dass mit dem Volksbegehren tatsächlich eine Gesetzesänderung erzwungen wird", sagt Mitinitiator Niko Alm.

Foto: Der Standard/Cremer

"Mich stören keine Prozessionen, keine Messen, Kirchen, Moscheen - entscheidend ist allerdings, dass der Staat nicht gesetzliche Sonderrechte für Einzelne schafft", sagt Alm.

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STANDARD: Das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien wird in der Woche von 15. bis 22. April stattfinden - zeitgleich also mit dem Demokratie-Begehren von MeinOE. Gut oder schlecht?

Alm: Das finden wir ausgesprochen sinnvoll, weil die Schnittmenge der Unterschreibenden groß sein wird. Laizität, die Trennung von Kirche und Staat, ist ein demokratisches Grundprinzip.

STANDARD: Um im Parlament behandelt zu werden, müssen mindestens 100.000 unterschreiben. Wie wollen Sie das erreichen?

Alm: Das ist machbar. Eine klassische Kampagne ist natürlich sehr teuer, und wir haben praktisch kein Budget. Wir setzen auf Social Media. Und wenn es ums Eingemachte geht, werden sich viele deklarieren.

STANDARD: Sie wissen, was normalerweise auch mit Volksbegehren, die viel Zuspruch hatten, im politischen Alltag geschieht?

Alm: Klar. Es wäre aber auch unrealistisch zu glauben, dass mit dem Volksbegehren tatsächlich eine Gesetzesänderung erzwungen wird. Wir sind ja nicht ganz realitätsfremd. Das Wichtigste für uns ist Bewusstseinsbildung, dass es hier eine Problemlage gibt - für viele eine abstrakte, für manche Menschen aber eine sehr konkrete, wenn ich an die Missbrauchsfälle denke. Die Opfer sexuellen Missbrauchs sind konfrontiert mit einer Kommission, in der sich die Kirche praktisch selbst richtet und dann entschädigt.

STANDARD: Glauben Sie, dass der Staat da etwas vertuscht?

Alm: Nein. Das unterstelle ich niemandem. Aber das gehört von staatlicher Seite geklärt.

STANDARD: Es gibt ja Verfahren.

Alm: Ja, aber in Summe handelt es sich doch um an die 1500 bekannte Fälle. Da wird nicht genau genug hingeschaut.

STANDARD: Ist das ein Thema für ein Anti-Kirchenprivilegien-Begehren?

Alm: Wäre das Volksbegehren mit dem letzten Aufkommen von Missbrauchsfällen vor drei Jahren zusammengefallen, dann hätte es aus dem Stand diese 100.000 Unterschriften geschafft.

STANDARD: Religion soll Privatsache werden. Eine Forderung ist daher, dass der konfessionelle Religionsunterricht nicht mehr in der Schule stattfinden soll. Ist das nicht auch sehr gefährlich, wenn dann zu Hause Religion gelehrt wird?

Alm: Nein, ich kann etwas rechtlich Problematisches nicht dadurch entschärfen, dass ich es in die Schulen hole. Ist der Religionsunterricht außerhalb der Schule problematisch, muss der Staat sich das dann dort vor Ort genau ansehen.

STANDARD: Ein flächendeckender Ethikunterricht würde laut Unterrichtsministerium bis zu 90 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Alm: Sie nennen jetzt das teuerste Modell der Unterrichtsministerin, es gibt auch günstigere. In dieser Rechnung ist auch nicht enthalten, was an Geld gespart wird, wenn man den konfessionellen Religionsunterricht oder andere Kirchenprivilegien streicht.

STANDARD: Was gehört gestrichen?

Alm: Man muss sich alle möglichen Gesetze anschauen. Das Wichtigste ist sicherlich der Bildungsbereich - der Religionsunterricht oder die theologische Fakultäten, wo viel zu viel staatlich mitfinanziert wird. Das reicht von der Militärseelsorge, die vier Millionen pro Jahr kostet, bis zur steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags oder zu Befreiungen von der Grundsteuer. Außerdem sollte es eine Neuverhandlung des Konkordats geben - es muss ja nicht gleich eine Aufkündigung sein.

STANDARD: Sie haben vor Jahren "Es gibt keinen Gott" in Wien plakatieren lassen. Würden Sie Mohammed-Karikaturen plakatieren?

Alm: Dazu bin zu feig. Das sagt aber auch schon viel: Warum muss ich als Demokrat zu feig sein, eine Mohammed-Karikatur zu publizieren? Da wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt.

STANDARD: Da gibt es doch einige Punkte, wo das der Fall ist.

Alm: Es gibt ja gesetzliche Handhabe: Verleumdung oder Verhetzung - und das zu Recht.

STANDARD: Religiöse Gefühle gehören nicht dazu?

Alm: Nein, das fällt nicht darunter.

STANDARD: Sie sind getauft, Sie waren Ministrant: Was ist Ihre Motivation?

Alm: Ich bin grundrechtlich motiviert. Nur damit das klar ist: Ich habe keine überdurchschnittlich schlechten Erfahrungen mit der Kirche. Ich arbeite mich nicht an der Kirche ab. Bis zum Fall Kardinal Groër fand ich Glaubensfragen eher lustig.

STANDARD: Das mündete in Ihrer Aktion mit dem Sieb auf dem Kopf?

Alm: Ja. Ich habe eine Broschüre vom Verkehrsministerium erhalten, in der stand, dass Hüte auf dem Führerscheinbild nur aus religiösen Gründen erlaubt sind. Das hat mich geärgert. Ich habe dann das nächstbeste Utensil in der Büroküche aufgesetzt. Dass das um die Welt geht, habe ich nicht geahnt.

STANDARD: Hätten Sie sich dann etwas anderes aufgesetzt?

Alm: Nein, das hat super zum Spaghettimonster (Gott des "Pastafarianismus", Anm.) gepasst. Man muss fast an eine übernatürliche Fügung glauben, dass ich zu dem Ding gegriffen habe und nicht etwa zu einem Blumentopf.

STANDARD: Frage an den Atheisten: Darf der Mensch glauben?

Alm: Sicher. Religion als Privatsache heißt ja auch nicht, dass sie nicht öffentlich gelebt werden darf. Mich stören keine Prozessionen, keine Messen, Kirchen, Moscheen - entscheidend ist allerdings, dass der Staat nicht gesetzliche Sonderrechte für einzelne schafft. (Peter Mayr, DER STANDARD, 23.1.2013)