Friedvolle Diskussion über die Zukunft des Bundesheers.

Foto: Elias Bierdel

"Wieviel Sicherheit braucht der Friede?" Diese Frage versucht ein Buch zu beantworten, das am Dienstag in Wien präsentiert wurde. Dafür haben zivile und militärische Vertreter ihre Ansichten zur österreichischen Sicherheitsstrategie niedergeschrieben und im Anschluss an die Präsentation mit derStandard.at diskutiert. Mit dabei: Thomas Roithner vom Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung, Brigadier Johann Frank vom Verteidigungsministerium, der Politikwissenschaftler Helmut Kramer von der Universität Wien und Elias Bierdel von der Friedensburg Schlaining.

Gegen Haxlbeißerei

Die aktuelle "Haxlbeißerei" zwischen SPÖ und ÖVP tut nach Ansicht Kramers der Diskussion über die Sicherheitspolitik nichts Gutes. Er kritisiert scharf, dass in der Debatte vor der Volksbefragung über Wehrpflicht oder Berufsheer die österreichische Sicherheitsstrategie keine Rolle gespielt habe. Diese wurde zwar vom Ministerrat beschlossen, wartet nun aber schon fast ein Jahr auf die weitere Behandlung durch das Parlament.

Gegen Provinzialisierung

Frank, einer der Mitautoren der Strategie, spricht sich gegen eine Renationalisierung und Provinzialisierung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus: "Eine neue Sicherheitsstrategie kann nicht mehr rein national angelegt sein, sondern muss europäisch ausgerichtet sein. Darüber hinaus sollte sie sich nicht auf militärische Fragen beschränken, sondern auch zivilgesellschaftliche Akteure einbeziehen." Das quittieren die Friedensforscher am Tisch mit zufriedenem Nicken.

Oder ganz weg damit?

Der radikalste Pazifist am Tisch ist Thomas Roithner. Er kann sich vorstellen, dass man langfristig ganz auf das Heer verzichtet. In seinem Aufsatz bringt er ein Zitat von Immanuel Kant aus dem Jahr 1795: "Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören. Denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg." Stattdessen schlägt der Konfliktforscher vor, Österreich solle den Vereinten Nationen oder auch der OSZE 2.000 Personen zur Verfügung stellen, um internationale Peacekeeping-Einsätze der UNO zu unterstützen.

Während Brigadier Frank die Augenbrauen hochzieht, erklärt Friedensforscher Bierdel: "Man muss wissen, wir stehen auf der Friedensburg Schlaining für eine andere Kultur - eine Kultur des Friedens. Dass wir noch nicht in der idealen Welt angelangt sind, ist uns klar." Frank ist freilich "schon aufgrund der Verfassung" für ein Bundesheer, seiner Meinung nach würde ein Berufsheer der neuen Sicherheitsstrategie entsprechen. Grundsätzlich ortet er europaweit Reformbedarf, da zu viel Geld für falsch organisierte Armeen ausgegeben werde.

Hubschrauber ja, Militär nein

"Wenn in Galtür Hubschrauber sinnvoll eingesetzt werden, dann ist das kein Beleg dafür, dass wir ein Militär brauchen, sondern dafür, dass wir Hubschrauber brauchen" - damit begründet Bierdel seine Auffassung, dass Katastrophenschutz keine Aufgabe des Militärs ist. Auch Frank sieht die Hauptaufgabe des Bundesheers nicht im Katastrophenschutz, sondern darin, bei Einsätzen im In- und Ausland für ein sicheres Umfeld zu sorgen. 

Pflichtseminar für Regierungsmitglieder

Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft soll laut Frank nicht auf das Buch beschränkt bleiben. Das Verteidigungsministerium wolle auch künftig Institute wie die Friedensburg Schlaining unterstützen. Das nun vorliegende Buch soll laut Roithner alternativen Stimmen Raum geben. Damit sich auch Vertreter der Bundesregierung mehr mit Inhalten wie der Sicherheitsdoktrin befassen, regt Kramer ein verpflichtendes Seminar für Regierungsmitglieder an.

Und wie werden Sie abstimmen?

Roithner ist mit beiden Optionen der Volksbefragung unglücklich. Er zitiert dazu Mahatma Gandhi: "Wenn man sich in der Friedenspolitik die Mittel von außen aufzwingen lässt, kommt man nie zu einem vernünftigen Ergebnis." Dennoch will er die Chance der direkten Demokratie wahrnehmen. Kramer optiert für Nicht-Hingehen oder für Nicht-Anstreichen beider Optionen.

Brigadier Frank will am Sonntag "als Staatsbürger" im Sinne seines Sohnes und seiner Tochter abstimmen, für die er eine Mischung aus Berufsheer und Sozialjahr als die geeignete Variante erachtet: "Wenn mein Sohn und meine Tocher zum Militär gehen wollen, dann sollen sie auch eine ordentliche Ausbildung bekommen und nicht Schnitzel klopfen." (Rainer Schüller, derStandard.at, 16.1.2013)