EHC Linz: Bisher zwölf Saisonen in der Bundesliga/EBEL (667 Spiele, 384 Siege), größte Erfolge: Meistertitel 2003, 2012 | Aktueller Kader

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Vienna Capitals: Bisher elf Saisonen in der Bundesliga/EBEL (610 Spiele, 331 Siege), größter Erfolg: Meistertitel 2005 | Aktueller Kader

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EC Salzburg: Bisher acht Saisonen in der EBEL (504 Spiele, 293 Siege), größte Erfolge: vier Meistertitel (zuletzt 2011) | Aktueller Kader

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Die Auftaktrunde in der Erste Bank Eishockey Liga steht vor der Tür, erstmals seit 2003 gehen die Black Wings Linz wieder als Titelverteidiger in eine Saison. Zwar gewährt das neue Regulativ den Klubs noch eine ligaweite Try-Out-Phase bis zum 11. November, schon jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass die im Vorjahr bereits im Viertelfinale gescheiterten Vienna Capitals und der EC Salzburg ihre Teams maßgeblich verstärkt haben und zu den ersten Herausforderern der Oberösterreicher zählen werden.

Schreibt Rob Daum des Märchens zweiten Akt?

Von einer kurzen Schwächeperiode Anfang Februar abgesehen, als in sechs Spielen nur ein Sieg gelang, ging die vergangene Spielzeit als die bisher wohl stärkste in die Vereinsgeschichte des EHC Linz ein. Die Black Wings qualifizierten sich bereits Ende Dezember für die Play-Offs, beendeten anschließend sowohl Grunddurchgang als auch Platzierungsrunde auf Rang eins und krönten sich schlussendlich mit neun Siegen aus den letzten elf Partien zum völlig verdienten Meister. Die Oberösterreicher lagen in nur 17,9 Prozent der von ihnen absolvierten 4062:59 Spielminuten im Rückstand, ein eindrucksvoller Wert, der den märchenhaften Charakter ihrer Saison 2011/12 unterstreicht.

Möglich gemacht hat das Ausnahmejahr der im Frühjahr 2011 zum Klub geholte Trainer Rob Daum, der gemeinsam mit Manager Christian Perthaler ein Team zusammengestellt hat, das zwar nicht über die größte individuelle Klasse verfügte, bei dem aber ein Rädchen in das andere griff. In Linz stimmte die spielerische Chemie in der Mannschaft ebenso wie die Lernbereitschaft der Spieler, die vom vor allem in der Analyse akribisch arbeitenden Head Coach in Sachen Spielsystem und Taktik auf ein neues Level gebracht wurden.

Mit der Finalrevanche gegen den KAC am kommenden Freitag wandert die im letzten Jahr entstandene Heldensage aber endgültig in das Regal, die Black Wings schlagen dann ein neues Buch auf, das ebenso zur Erfolgsstory werden soll. Die Vorzeichen dafür stehen gut, wurde der Kernkader des Teams doch nur auf drei Positionen verändert. Zwar gelang es dem Klub, Schlüsselspieler wie Curtis Murphy, Mike Ouellette oder den in den Play-Offs bärenstarken Rob Hisey zu halten, die potentiellen Auswirkungen der wenigen personellen Veränderungen sind jedoch nicht zu unterschätzen.
Mit Justin Keller verlor Linz nicht nur den Schützen des meisterschaftsentscheidenden Treffers, der Kanadier hatte im Vorjahr bei gleich 13 Game-Winning-Goals seinen Schläger im Spiel. Gemeinsam mit Danny Irmen und Rob Hisey bildete er die stärkste Sturmformation der gesamten Play-Offs, das Trio sammelte in 17 Spielen 49 Scorerpunkte. Keller-Ersatz Brett Engelhardt fällt zwar ebenso in die Kategorie Goalgetter, unterscheidet sich im Spielstil aber wesentlich vom agilen und starken Eisläufer Keller, sodass nicht zwingend davon auszugehen ist, dass diese Angriffslinie auf Anhieb reibungslos funktionieren wird.

Auch in der Abwehr wurden die abgegebenen Akteure nicht unbedingt mit ähnlichen Spielertypen ersetzt: Marc-André Dorion und Andy Hedlund sind zwar einen Tick offensiver geprägt als ihre Vorgänger, der gerade in den Play-Offs zuverlässige Ruhepool Jan-Axel Alavaara und der smarte Adrian Veideman, kongeniale Ergänzung zu Topverteidiger Curtis Murphy, hinterlassen ihnen jedoch große Fußstapfen. Im Tor setzt der Meister auf den an EBEL-Einsätzen erfahrensten Goalie der Liga, nach seinem im Vorjahr endlich überwundenen Post Season-Trauma geht Alex Westlund aber wohl in die letzte Saison seiner Karriere.

Unter Rob Daum hat der EHC Linz ein Cinderella-Jahr hingelegt, aus der offensivschwächsten Mannschaft der Liga 2010/11 (2,89 Tore pro Spiel) wurde die im Angriff erfolgreichste 2011/12 (3,58 Treffer pro Partie). Dieser Aufschwung hat jedoch auch die Latte für die kommende Saison sehr hoch gelegt, es scheint unwahrscheinlich, dass die Black Wings sie ein weiteres Mal überspringen können. Die personellen Veränderungen im Sommer werden die eine oder andere kleine Adaptierung im Spielsystem nötig machen, den Status der Oberösterreicher als sehr ernster (wenngleich nicht erster) Titelanwärter aber kaum gefährden.

Obwohl Linz aktuell die zweitälteste Mannschaft der Liga stellt (Anm: Durchschnittsalter 27,1 Jahre), kann der Verein aus sportlicher Sicht nicht zuletzt dank seines Trainers optimistisch in die mittelfristige Zukunft blicken. Die großen Herausforderungen der nächsten Jahre liegen eher abseits des Eises: Dass die aktuelle Klubführung seriös wirtschaften kann, hat sie bereits bewiesen, nun geht es darum, die Marke Eishockey noch stärker in der Stadt zu verankern. Damit politische Entscheidungsträger erst gar nicht in die Verlegenheit kommen, die schrittweise geplante Heranführung der Infrastruktur an zeitgemäße Standards in Frage zu stellen.

Neue Kompetenzverteilung, mehr Kadertiefe

"Egentlig" kann es nur besser werden. Immer wenn Capitals-Trainer Tommy Samuelsson in Interviews nach einem Spiel erklärende Sätze mit dem deutsch-schwedischen Mischwort eröffnete, war das ein recht sicheres Zeichen dafür, dass die Wiener kurz davor schon wieder eine Partie verloren hatten. Niederlagen hagelte es in der letzten Saison zuhauf, noch nie in ihrer elfjährigen Klubgeschichte verließen die Caps, ursprünglich als Team aus dem erweiterten Favoritenkreis ins Jahr gestartet, das Eis so oft als Verlierer (Anm.: 56,4 Prozent der Spiele endeten mit Niederlagen).

Die Vereinsführung reagierte schon gegen Ende der verkorksten Spielzeit und verteilte die Kompetenzen innerhalb des Klubs neu, die Zusammenstellung des Teams für die kommende Saison wurde in die Hände des Head Coaches und des neu verpflichteten, ehemaligen NHL-Scouts Bernd Freimüller gelegt. Völlig missglückte Transferperioden wie jene des Sommers 2011, als mit Jonathan Ferland (Anm.: im Grunddurchgang bester Plus/Minus-Spieler im Team, die zweitmeisten Game Winning Points in der Liga und der EBEL-Bestwert mit Toren bei 50,0 Prozent seiner Einsätze) nur ein einziger Spieler geholt wurde, der später wirklich überzeugen konnte, sollen mit diesem Wechsel der Vergangenheit angehören.

Samuelsson, an dem der Klub trotz des schlechten Vorjahrs zu recht festgehalten hat, und Freimüller haben ein Team zusammengestellt, das zumindest am Papier mehr Tiefe aufweist als jeder andere Kader, mit dem die Capitals je in eine Saison starteten. Vorrangigstes Ziel war in Anbetracht der Situation am Transfermarkt und der Erfahrungen aus der Saison 2011/12, als nur drei Teams in der Liga mehr Gegentreffer pro Spiel kassierten als Wien (3,25), die Stabilisierung der Defensive. Diese ist als geglückt zu bewerten: Mit Jamie Fraser (26) und Adrian Veideman (29) wurden Legionäre von gehobener EBEL-Qualität verpflichtet, zumal die individuellen Vorzüge der einzelnen Neuzugänge die für eine Abwehr zentralen Elemente Defensive (Klimbacher), Spieleröffnung (Veideman) und Offensivpotential (Fraser) gut abdecken.

Wie stark sich die Verteidigung der Capitals im Vergleich zum Vorjahr verbessert hat, zeigten schon die Spiele in der European Trophy, in der es gegen Teams von hoher internationaler Qualität in sechs Partien und mehr als 370 Minuten nur 13 Gegentreffer gab. Dazu auch seinen Teil beigetragen hat das neue Torhütergespann Matt Zaba/Fabian Weinhandl, die zwar nicht das beste Duo der EBEL abgeben, dem Streben der Wiener nach hohen Zielen aber wohl auch nicht im Wege stehen werden.

Im Angriff wird der wiedergenesene Rafael Rotter dem Paradesturm mit Fanliebling Benoît Gratton und dem im Vorjahr indisponierten François Fortier neues Leben einhauchen. Dahinter steht jedoch das wohl größte Fragezeichen im Team, war von einer zweiten Scoring Line in den Spielen auf internationaler Ebene doch noch wenig zu sehen. Bei den Capitals herrscht die berechtigte Hoffnung, dass sich dieses Problem in der EBEL, in der wesentlich langsamer gespielt wird, von selbst lösen wird.

Die größte Herausforderung für Trainer Samuelsson und seinen neuen Assistenten Philippe Horsky wird es sein, die im Vorjahr sehr schwachen Special Teams, einst eine Domäne der Capitals, auf ein für einen Titelkandidaten adäquates Niveau zu bringen. Das katastrophale Unterzahlspiel kostete dem Team speziell in der ersten Saisonhälfte viele Punkte, trotz einer gewissen Stabilisierung gegen Ende des Jahres hin wies man nach dem Grunddurchgang das viertschwächste Penalty Killing der Liga auf (Anm.: ein Gegentor pro 8:02 Unterzahlminuten). Im Gegenzug brauchte man im Spiel bei numerischer Überlegenheit 10:50 Minuten, um einen Treffer zu erzielen - ebenso ein Wert, der den Wiener Ansprüchen bei weitem nicht gerecht wird.

Fazit: Das nach Rollenbildern komponierte Team weist großes Potential und eine für Capitals-Verhältnisse ungekannte Tiefe auf. Liefern die Schlussmänner solides Goaltending und macht sich Wien im Angriff nicht zu sehr vom Scoring Punch der ersten Linie abhängig, wird die Mannschaft der Spitzengruppe der Liga angehören. Wie weit es dann im zweiten, den Titelkampf entscheidenden Teil der Saison gehen kann, hängt von der erfolgreichen Behebung der genannten Baustellen im Angriff und den Special Teams ab. Gelingt dies, ist der angestrebte erste Finaleinzug seit 2005 keine Illusion.

Der Ligakrösus greift wieder an

Dem Triumph in der European Trophy im Dezember, dem ob der Prioritätensetzung des EC Salzburg bisher wohl wichtigsten Titel der Klubgeschichte, folgte die Pleite im Februar: Zum erst dritten Mal seit ihrem Einstieg in die Erste Bank Eishockey Liga verloren die Bullen eine Play-Off-Serie, allerdings schon jene im Viertelfinale gegen den KAC. Eine Enttäuschung, die sich im mit Red Bull-Millionen ausgestatteten Verein nicht wiederholen soll, der weitreichende, speziell am Legionärssektor forcierte Umbau des Teams im Sommer kam also wenig überraschend.

Die fünf punktebesten Imports aus dem Vorjahr haben den Klub verlassen, insgesamt stehen 18 Cracks aus dem Kader von 2011/12 nicht mehr in Salzburg unter Vertrag. Die Destinationen von Spielern wie Earl (Schweiz), Lynch (Schweden) oder Abid (Finnland), die allesamt zu Vereinen in höherklassigen Ligen wechselten, dokumentieren, dass die Bullen Akteure von guter individueller Qualität verloren haben.
Höchste Priorität bei den Neubesetzungen hatte die Center-Position, in der letzten Saison abgesehen von Robbie Earl Salzburgs große Schwachstelle. Hier konnte mit Ryan Duncan (27) einer der besten Spielmacher der jüngeren EBEL-Geschichte zurückgeholt werden, zudem gelang mit der Verpflichtung von Justin DiBenedetto (24) eines der ligaweit spannendsten Signings des Sommers. Während Marco Brucker in seiner Rolle als Zwei-Wege-Mittelstürmer im vierten Block weitere Fortschritte zuzutrauen sind, ist die Besetzung der dritten Centerposition noch offen. Hier wird das Trainerteam mehrere Optionen abwägen.

Anders als beim Großteil der Konkurrenten lässt sich bei den Bullen keine klare Rollenverteilung in Scoring Lines und eher defensiv orientierte Angriffsformationen ausmachen. Das von Pierre Pagé forcierte Spielsystem stellt Dynamik, Geschwindigkeit sowie Variabilität in den Vordergrund und dementsprechend auch offensive Anforderungen an sämtliche Blöcke (und auch Abwehrspieler). Diese stilistische Ausrichtung und ihre Umsetzung bringt speziell eher behäbige Teams in der Liga vielfach in die Bedrängnis, sich mit Fouls helfen zu müssen. Daher ist es auch kaum verwunderlich, dass im Vorjahr kein Team in der Liga länger in Überzahl spielen konnte als Salzburg. Ein Umstand, aus dem die Bullen mit einer nur durchschnittlichen Erfolgsquote im Powerplay jedoch zu wenig Profit schlugen.
Abhilfe sollen hier zukünftig neben den Verstärkungen auf der Mittelstürmer-Position auch die neu geholten Justin Keller (26) und Ryan Kinasewich (29) schaffen. Beide haben sich in jeweils zwei Jahren in der Liga einen guten Ruf als Torjäger erarbeitet und in diesem Zeitraum die zweit- (Kinasewich/58) respektive fünftmeisten (Keller/51) Treffer aller Spieler erzielt.

Im offensiv ausgerichteten System Salzburgs haben Abwehrspieler einen traditionell schweren Stand, dass aber wie in der letzten Saison nur ein Team noch mehr Gegentreffer kassiert als die Bullen (3,42 pro Partie im Grunddurchgang), stellte einen neuen Tiefpunkt dar. Gleich acht Verteidiger im Kader beendeten das Spieljahr mit einem negativen Plus/Minus-Rating, eine Bilanz, die sich heuer zwingend verbessern muss, will man wieder an erfolgreiche Zeiten anknüpfen.
Dass die Bullen auch defensiv stark spielen können, haben sie 2011/12 mit der höchsten Erfolgsquote im Unterzahlspiel bewiesen, in der kommenden Saison gilt es, dies auch in die anderen Spielsituationen zu transportieren. Denn etwa im Spiel bei numerischem Gleichstand am Eis hatten im Vorjahr nur Jesenice und Graz ein schlechteres Saldo von erzielten und kassierten Treffern aufzuweisen.

Zwar ist Salzburg nicht der Klub mit den kleinsten Baustellen im Team, wohl aber jener mit dem größten sportlichen und wirtschaftlichen Potential, diese Hausaufgaben zu lösen. Auch wenn bei den Bullen der Grunddurchgang traditionell als Experimentierfeld betrachtet wird, die Qualifikation für die Platzierungsrunde gelingt problemlos. In der Post-Season ist heuer mit einem anderen Salzburg zu rechnen als im Vorjahr, wo es erstmals in der Klubgeschichte drei verlorene Play-Off-Spiele am Stück setzte. Titelfavorit Nummer eins. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 5.September 2012)