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"Studenten" oder "Studierende"?

Foto: AP Photo/Daniel Maurer

Wer ist auf dem Bild zu diesem Eintrag zu sehen? "Studenten"? So zumindest lautete der korrekte Ausdruck, bevor im Zuge der Frauenbewegung vor 40 Jahren darüber zu streiten begonnen wurde, wie man mehr Frauengerechtigkeit - und damit Gendergerechtigkeit - in die Sprache bringen kann. Das hat insofern gefruchtet, als heute wohl die Allermeisten auf dem Foto "Studentinnen" erkennen dürfte - oder aber "Studentinnen" bzw. "Student/innen", wenn nicht gar "Studierende".

Damit ist das Thema umrissen, auf das mich die Kritik einer Leserin gebracht hat - wieder einmal. Es geht um Personenbezeichnungen für Männer und Frauen im schriftlichen, also auch journalistischen, Sprachgebrauch: Im Deutschen ist das ein besonderes Problem, weil diese Sprache in ihrer herkömmlichen Anwendung, im Gegensatz etwa zum Englischen, nur wenige wirklich geschlechtsneutrale Bezeichnungen kennt. Das hat dazu geführt, dass maskuline Personenbezeichnungen auch Frauen "mitmeinen" können. So wird z.B. von "Wählern" gesprochen, obwohl die Mehrzahl der Wahlberechtigten in Österreich und Deutschland Wählerinnen sind.

Besagter Leserin ging es um den einen Bericht um die Folgen des Prozess gegen TierschützerInnen, wo nunmehr die schriftliche Begründung der Freisprüche von vor neun Monaten vorliegt. In meinem zu diesem Thema verfassten Artikel (im Print - aber er wurde, wie die meisten Printartikel, auch auf derStandard.at gestellt) hätte ich Gendersensibilität vermissen lassen, merkte die Mailschreiberin an. 

Berechtigte Kritik

Mit der Kritik hatte sie Recht. Schon, was den Titel betrifft: "Rein 'ziviler Ungehorsam' der Tierschützer" lautete dieser.

Doch warum habe ich hier die männliche Form "Tierschützer" gewählt, wo es doch auch sehr viele Tierschützerinnen gibt - selbst auf der Anklagebank im nämlichen Prozess saßen zwei Frauen? Warum nicht die faire Doppelbezeichnungen "Tierschützer und Tierschützerinnen" oder "Tierschützer/innen" oder das Binnen-I. "TierschützerInnen"? Weil - erstens - die Verdopplung aufgrund ihrer Länge nicht praktikabel ist, vor allem in Titeln. Und weil - zweitens - Schrägstriche oder das Binnen-I im Print-Standard prinzipiell nicht verwendet werden: Es gab Diskussionen darüber, aber die endeten mit der Entscheidung, bei den männlich-"neutralen" Formen zu bleiben, weil Querstriche und Binnen-I‘s den Lesefluss beeinträchtigen und einen Bruch mit der deutschen Grammatik darstellen. Im Standard-Onlinebereich ist es anders.

Keine Schrägstriche, kein Binnen-I: So halten das eigentlich alle deutschsprachigen Zeitungen von einiger Verbreitung, abgesehen von der deutschen TAZ und die Schweizer WOZ. Und auch in der TAZ sind die Binnen-I's in den vergangenen Jahren seltener geworden. Wohl auch deshalb, weil sie, konsequent gedacht, eine Reihe von Folgewirkungen haben, die der Artikel-Lesbarkeit schlecht tut. Statt, zum Beispiel "Der Arzt entscheidet über die Therapie" müsste es im Grunde ja "Der/die ÄrztIn..." heißen: eine Abfolge von Unworten.

Männlich ist nicht neutral

Dennoch: Die männlichen Bezeichnungsformen sind nicht "neutral". Ihre Verwendung führt dazu, dass LeserInnen Männer, keine Frauen, vor ihrem geistigen Auge sehen, wenn es - zum Beispiel - um "Ärzte" oder auch "Politiker" geht. Die männlichen Formen stellen die heute existierende soziale Realität nicht dar, in der Frauen in allen Jobs und in den meisten sozialen Rollen anzutreffen sind - wenn auch im Vergleich zu Männern unterbezahlt, aber das ist ein anderes Thema.

Daher versucht eine Reihe JournalistenkollegInnen, Worte zu verwenden, die per se gendergerecht sind. Im vorliegenden Fall würde sich das Wort "Tierschützende" anbieten: "Rein 'ziviler Ungehorsam' der Tierschützenden": Das ist ungewohnt (was bedeutet, dass es bis zur Gewöhnung nur eine Frage der Zeit ist), aber es ist auch nicht ganz korrekt: Denn es umfasst, wie das Wort "Studierende", eigentlich nur Personen, die jetzt, in diesem Moment gerade mit Tierschutz- (oder Studier)aktivitäten beschäftigt sind. 

Bliebe der Ausweg, eine ganz andere Titelformulierung zu nehmen - was in diesem Fall wohl auch angebracht gewesen wäre. Eines jedoch zeigt das ganze Hin- und Herüberlegen auf alle Fälle: Eine wirklich faire Lösung gibt es in Sachen gendergerechten Schreibstil im Deutschen bisher keine - auch wenn das Zeitgenossen, die allein schon beim Wort "Gender" abwinken, wohl nicht als Problem sehen. (Irene Brickner, derStandard.at, 11.2.2012)