Wien - Die seit 2008 gültige Reform der Strafprozessordnung (StPO) benötigt nach Ansicht des neuen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes (OGH), Eckart Ratz, nur kleine Nachbesserungen. Bei den Staatsanwälten, die seither im Mittelpunkt des Ermittlungsverfahrens stehen, will er das "Prinzip Hoffnung" gelten lassen, wie er im Interview mit der APA erklärte. Klagen über schwierige Wirtschaftsfälle hält er für ebenso wenig angebracht wie über den Vertrauensverlust in die Justiz.

Hoffen auf Lernen aus Fehlern

Ratz, der am 3. Februar in sein Amt eingeführt wird, verwies auf den "Tsunami" an neuen Strukturen und Abläufen, die die Staatsanwälte mit der StPO-Reform parieren hätten müssen. Dazu seien offene Planstellen und eine hohe personelle Fluktuation gekommen. Dass es da anfangs zu Fehlern habe kommen können, sei für jeden verständlich. Außerdem wachse die Erfahrung und damit auch das Selbstvertrauen der oft noch sehr jungen Staatsanwälte. "Das ist wie bei einem Baby. Wenn es fünfmal hingefallen ist, beim sechsten Mal läuft es der Mama entgegen."

An Reformen schlägt Ratz beim Hauptverfahren eine Beschleunigung der sich heute teils über Monate ziehenden Urteilsausfertigung durch die Richter vor. Die 2009 eingesparten Beisitzer in Schöffensenaten würde er wieder einführen, und Sachverständige sollten schon im Ermittlungsverfahren vom Richter statt vom Staatsanwalt bestellt werden.

Jammern über Wirtschaftsfälle nicht angebracht

Dass die Belastung der Staatsanwälte durch immer komplexere Wirtschaftsstrafsachen steigt, will Ratz nur sehr bedingt gelten lassen. "Wirtschaftsfälle hat es früher auch gegeben", sagte er. Statt sich lange zu verzetteln, gelte es gleich am Anfang zu reflektieren, worum es eigentlich gehe. Dann könne viel rascher entschieden werden, ob angeklagt oder eingestellt werde - und das steigere wiederum das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz.

Offen zeigte sich der OGH-Präsident dafür, der Justiz stärker zu erlauben, die Medien mit Informationen zu versorgen, wenn deren Rolle als "Public Watchdog" sonst in Gefahr geraten würde. Die dabei notwendige Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten gegenüber dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit brauche einen seriösen Meinungsbildungsprozess. "Aber viele Früchte brauchen nicht allzu lang zu reifen", sagte er.

Für keine gute Idee hält Ratz die von seiner Amtsvorgängerin Irmgard Griss angeregte Zusammenlegung der Landes- und Bezirksgerichte zu einstufigen Eingangsgerichten. Bei der von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) geplanten Zusammenlegung von Bezirksgerichten hofft er auf Augenmaß. "Ich sehe sonst die Gefahr der intellektuellen Ausdünnung des ländlichen Raums", warnte der Vorarlberger.

Verankerung des erweiterten Grundrechtsschutzes

Der neue OGH-Präsident Eckart Ratz wünscht sich zum Amtsantritt die gesetzliche Verankerung des seit 2007 praktizierten erweiterten Grundrechtsschutzes. Die Beschwerde gegen Grundrechtsverletzungen in Strafverfahren sei ein "großer Erfolg". Aber um auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg völlig akzeptiert und "nicht nur subtil denkenden Juristen zugänglich" zu sein, müsste dieses Rechtsschutzinstrument nunmehr gesetzlich verankert werden, sagte Ratz. (APA)