Wien - Wäre es keine Podiumsdiskussion, sondern eine Unterrichtsstunde gewesen, man hätte die beiden auseinandersetzen müssen. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) und der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, konnten nicht aufhören zu diskutieren, auch wenn ihr Mikro ausgeschaltet und jemand anderer am Wort war. In der Debatte über die elektronische Gesundheitsakte (Elga) ist zwischen Ministerium und Ärzten kein Kompromiss in Sicht.

"Zu rosa" ist Steinhart Stögers Zugang zu dem Thema, sagte er bei der Präsentation des "Handbuch Gesundheitspolitik", das die PR-Beraterin Silke Rudorfer und die ORF-Journalistin Claudia Dannhauser geschrieben haben. Der Ärztevertreter äußerte einmal mehr seine Datenschutz-Bedenken, außerdem kritisierte er das Ansinnen, Doppelbefundungen einzusparen: Diese seien für die Patienten auch eine "Sicherheitskategorie". Am Mittwoch beschloss außerdem die Bundesärztekammer eine Ablehnung von Stögers Gesetzesentwurf.

Der Gesundheitsminister verteidigte sein Vorhaben: Elga würde dem Patienten "die Chance geben, autonomer zu sein". Einen Beschluss werde es "nicht gestern und nicht morgen" geben, aber jedenfalls "in absehbarer Zeit". Grundsätzlich pro Elga äußerten sich auch Apothekerkammer-Präsident Heinrich Burggasser, Pharmig-Präsident Robin Rumler und der Vorsitzende des Hauptverbands, Hansjörg Schelling.

Während einige in der ÖVP bei Elga skeptisch sind, fordert der schwarze niederösterreichische Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka dringend deren Einführung. "Ich bräuchte Elga schon längst", sagte Sobotka dem Standard. Innerhalb der Landesklinikenholding werde es bis 2016 eine Art Elga geben, die Vernetzung mit Ärzten und Apotheken fehle aber. Diese würde nicht nur das Gesundheitssystem effizienter machen, sondern auch "dem Patienten dienen". Obwohl inhaltlich mit ihm d'accord, kritisiert der Landesrat das Vorgehen des Ministers: "Er muss alle an einen Tisch holen. Da lässt er einen Luftballon steigen, und dann hört man monatelang nichts von ihm."

Risiko Adipositas

Zum Dauer-Thema Gesundheitsfinanzierung kamen am Mittwoch gute Nachrichten von der OECD: In der Studie "Health at a Glance" wurde Österreich bescheinigt, dass die Ausgaben mit elf Prozent zwar über dem OECD-Schnitt von 9,6 Prozent liegen, sie würden aber nur halb so schnell steigen wie im internationalen Mittel. Zum zunehmenden Gesundheitsrisiko entwickelt sich Fettleibigkeit, Österreich liegt mit zwölf Prozent adipösen Menschen unter dem OECD-Schnitt (17 Prozent). Spitzenreiter sind die USA, Mexiko und Neuseeland. (Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 24.11.2011)