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Zwei Untersuchungen wegen ein und demselben Problem: Mit Elga, meint der Gesundheitsminister, sollen unnötige Doppelbefunde Geschichte sein.

Foto: dapd/Milauer

Wien - Unaufgeregt, aber unbeirrbar: So verfolgt Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) das Projekt Elektronische Gesundheitsakte (Elga), das seit Monaten massiv von der Ärztekammer (ÄK) torpediert wird - aktuell mit einer groß angelegten Inseratenkampagne. Am Donnerstagabend präsentierte Stöger die Details jenes Gesetzesentwurfs, der in seinem Ressort gerade ausgearbeitet wird. Dann stehen die Gespräche mit der ÖVP an, danach der Beschluss im Ministerrat. Stöger sagte, er habe "kein Problem damit, wenn das heuer nicht mehr ist" - der zuständige Sektionschef im Gesundheitsministerium, Clemens Martin Auer, versicherte aber, es werde mit Hochdruck an dem Projekt gearbeitet.

Elga soll nicht nur Gesundheitsdaten vernetzen - sie soll auch Millionen an Kosten sparen. Ab 2017, wenn das Projekt im Vollbetrieb laufen soll, könnten laut Berechnungen des Ministeriums fast 130 Millionen Euro im System frei werden, der Großteil durch gezieltere Verschreibung von Medikamenten; auch doppelte Befunde, etwa beim niedergelassenen Arzt und im Spital, könne man sich durch Elga ersparen, hofft Stöger.

18 Millionen laufende Kosten

Der Minister präsentierte erstmals eine konkrete Kostenschätzung für das Projekt: Insgesamt 130 Millionen Euro für die Errichtung bis 2017, danach 18 Millionen Euro pro Jahr laufende Kosten. Wenn Stögers Rechnung aufgeht, würde sich das Projekt also in gut einem Jahr amortisieren.

Die Ärzte hatten vor allem Bedenken zum Datenschutz geäußert; in einem von der Wiener ÄK beauftragten Gutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer hieß es gar, Elga stelle den "gläsernen Menschen" her. Stöger versicherte, er sei "sehr kritisch" beim Datenschutz, ihm sei aber auch der "Menschenschutz" wichtig - und dieser würde Elga rechtfertigen. Konkret sollen die Daten dezentral gespeichert werden, also dort, wo sie entstehen: der radiologische Befund beim Radiologen, die Krankenhausakte im Krankenhaus. Abgerufen können sie nur werden, wenn der Patient seine E-Card steckt. Tut er dies etwa beim Hausarzt, dann werden die Daten von den verschiedenen Einrichtungen zusammengeführt und sind dann für den Arzt 28 Tage lang einsehbar.

Es handle sich um einen "Quantensprung im Umgang mit Gesundheitsdaten", meint Stöger, denn schon bisher würden Ärzte oder Spitäler Daten speichern. Was damit passiere, sei aber für den Patienten völlig uneinsichtig. Künftig soll mittels Webportal jeder Versicherte Einsicht nehmen können, wer wann auf seine Gesundheitsdaten zugegriffen hat und was damit passiert ist.

"Zerstrittener Haufen"

Mit den Ärzten ging Stöger für seine Verhältnisse ungewöhnlich hart ins Gericht: Diese seien "ein zerstrittener Haufen, der einen Außenfeind braucht", schließlich würden in der Kammer im Frühjahr Wahlen anstehen. Die Verhandlungen erschwere zusätzlich, dass die Österreichische und die Wiener ÄK unterschiedliche Positionen zu dem Thema hätten. Als anderen Grund für den Protest sieht Sektionschef Auer, dass Elga die Zahl der Untersuchungen und damit auch den Umsatz der Ärzte reduzieren soll. Zusätzliche Kosten sollen auf die Ärzte nicht zukommen, wenngleich sie natürlich weiterhin für EDV Geld ausgeben müssten - "wie jeder andere Unternehmer auch".

Auer versuchte auch, ein weiteres Argument gegen Elga zu entkräften: Für die Ärzte ist unklar, wer in Zukunft haftet, falls ein Behandlungsfehler passiert, weil in der Elga gewisse Informationen wie psychische Erkrankungen oder eine HIV-Infektion nicht enthalten sind. Schon bisher würden Ärzte der Sorgfaltspflicht unterliegen, meint Auer. Daher würden sich an der Haftungsfrage nichts ändern.

Nicht nur bei den Ärzten, auch beim Koalitionspartner hat Stöger wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger - selbst praktischer Arzt - hält die Vorgangsweise des Ministers für "grob fahrlässig", "keine einzige Zeile" des Gesetzesentwurfes sei mit ihm akkordiert worden. Dass der Entwurf bald in den Ministerrat gehe, ist für ihn "denkunmöglich", das Projekt dürfe man nicht im "Husch-Pfusch-Verfahren" durchziehen. Und Stögers Kosten-Nutzen-Rechnung hält Rasinger für "haltlos", er geht von Elga-Kosten von einer halben Milliarde Euro aus. Allein die Software werde mit 150 Millionen Euro zu Buche schlagen. (Andrea Heigl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.11.2011)