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Vor dem Stephansdom Dienstagmorgen: ein paar Demonstranten der GPA. Drinnen: Kardinäle, Priester, Schaulustige und der Bundeskanzler. Wolfgang Schüssel redet im Rahmen der Stadtmission über das Christsein in der Politik. Sein Christsein. Und dazu gehört offenbar auch "seine" Pensionsreform. Neben dem Altar stehend, lässt er das Kirchenvolk wissen: Es gehe nicht um eine Kraftprobe zwischen Regierung, Opposition und Gewerkschaft, sondern um die Fragen "Was ist zumutbar?" und "Wie schaut die Verteilung aus?". Um Fragen der Solidarität und der Wohlstandsverteilung zwischen den Generationen eben.

Eine Stunde später darf sich Schüssel noch deutlicher mit dem Thema beschäftigen: Pensionsreform im Ministerrat. Und in einem gewissen Sinne predigt er weiter: Mit der Pensionssicherungsreform sei ein "ganz großer Schritt" gelungen. Fünf runde Tische und 30 Verhandlungsstunden hätten immerhin einen Kompromiss gebracht: Übereinstimmung bei der Harmonisierung der Pensionssysteme.

Ab Jänner kommenden Jahres soll jeder Österreicher sein persönliches Pensionskonto haben. "Froh" sei er hingegen, dass die diskutierte (befristete) Erhöhung der Pensionsbeiträge vom Tisch sei. Das wäre "kontraproduktiv" gewesen. Das "Angebot" der Regierung in Sachen Pensionsreform wurde am Dienstag niedergeschrieben und im Paket den Sozialpartnern übermittelt.

Die Streiktöne des ÖGB findet der Kanzler "bedauerlich" und außerdem "fatal für die Betriebe". "Das ist nicht unsere Vorstellung einer gelebten Demokratie", und es gefährde Arbeitsplätze. "Ich wünsche mir Dialog und nicht Streik", assistierte Vizekanzler Herbert Haupt. Die Regierung werde sich davon aber nicht unter Druck setzen lassen.

Empört erzählt er von einem Voest-Werk in Bruck an der Leitha, wo ihm die Angestellte schon am Montag gesagt hätten: "Egal, was rauskommt, es wird gestreikt." Für die FPÖ sind noch zwei Bereiche offen: die Reform der Politikerpension sowie "Pivilegienabbau" bei den Sozialversicherungsangestellten. Ansonsten gaben sich die FP-Regierungsmitglieder vor Journalisten entspannt-zuversichtlich.

Schließlich spricht ja auch der Kanzler mittlerweile von einem "sanften Modell". Es sei im Interesse der jungen Generation, dass die Reform jetzt stattfinde.

Philosophisch verbrämt klang das bei der Schüssel-Rede im Stephansdom so: Die Infragestellung des Besitzes müsse um die Bereiche Privilegien und Verteilung zwischen den Generationen erweitert werden. Dies gelte aber nicht nur für die christlichen Politiker, sondern auch für die Arbeiterbewegung.

Diejenigen, die in der Vergangenheit Rechte erkämpft hätten, würden diese nun gegen jene verteidigen, die diese noch nicht haben. Die Positionen, die man jetzt an so genannten wohl erworbenen Rechten zu verteidigen glaube, müssten in fünf bis sechs Jahren von der jüngeren Generation bezahlt werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.5.2003)