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Glück in der Verfassung

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DER STANDARD-Schwerpunkt Thema Glück

Wien - Ein paar Monate bevor er zu Turin in syphilitischem Delirium einem geschlagenen Kutschpferd um den Hals fiel und bitterlich weinte, hatte Friedrich Nietzsche einen schönen Satz in seine Götzen-Dämmerung geschrieben: "Der Mensch strebt nicht nach Glück, nur der Engländer tut das."

Vor allem der Engländer in Amerika, möchte man ergänzen. Denn der hatte gut hundert Jahre vor Erscheinen von Nietzsches Spätwerk seine Unabhängigkeit von der britischen Krone erklärt und für sich festgestellt, dass "Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" unveräußerliche Rechte des Menschen und der Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika seien.

Auf die Formel kamen Thomas Jefferson und Benjamin Franklin, zwei der Gründerväter der USA, nachdem sie einen Passus der Virginia Declaration of Rights, nämlich den Bezug auf das Recht auf Besitz, einfach ausließen. Dennoch wird das Streben nach Glück, die Grundlage des "American Dream", in den Vereinigten Staaten seither vor allem ökonomistisch und individualistisch interpretiert - die Selbstverwirklichung jedes einzelnen Amerikaners als gesellschaftlicher und materieller Aufstieg. Das Streben nach Glück für die ganze Gesellschaft, die Wohlfahrt, tritt dagegen in den Hintergrund.

Staatsziel

Verbreitet hat sich das Streben nach Glück als Staatsziel später über alle Kontinente: In den Verfassungen von Japan, Südkorea, Haiti und Namibia kommt es ebenso vor wie das Streben nach dem "Brutto-Nationalglück" in der 2008 erlassenen Verfassung von Bhutan.

Auch in Brasilien läuft derzeit eine Debatte darüber, ob das Streben nach Glück als Grundrecht in die Verfassung aufgenommen werden soll. Der Proponent der Idee, Senator Cristovam Buarque, ist der Ansicht, dass erst die Glückssuche die im Grundgesetz verankerten sozialen Rechte der Bürger zu vervollständigen imstande ist. Bildung, Gesundheit, Sicherheit - "diese sozialen Rechte sind das Gelände, die Glückseligkeit ist der Weg".

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass keiner der genannten Staaten, in dem das Glück als Staatsziel in der Verfassung definiert wird, in den Top Ten eines von der Universität Rotterdam erstellten Länder-Glücksrankings vorkommt. Führend sind Costa Rica, Dänemark und Island. Österreich schafft es knapp nicht unter die ersten zehn glückseligen Staaten.

Aber immerhin: Auch unter den in der Studie ermittelten zehn unglücklichsten Ländern weltweit scheinen die glücksverfassten Länder nicht auf. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2011)