Nickelsdorf, wenige Meter vor Ungarn: Wo Gras über den einstigen Eisernen Vorhang wächst, wollen SPÖ und ÖVP wieder "die notwendige Infrastruktur für temporäre Grenzkontrollen" haben.

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Eisenstadt - Eigentlich wollte Manfred Kölly nur die hässlichen Grenzhäuser im Burgenland schön machen. "Einerseits investieren wir so viel Geld in den Tourismus und geben Geld für Werbung aus, andererseits stehen da noch immer diese Schandflecken an der Grenze. Die Häuser liegen baulich darnieder", sagt der burgenländische Landtagsabgeordnete, einst Freiheitlicher und heute Anführer einer Bürgerliste.

"Gewaltige Flüchtlingsströme aus Nordafrika"

Deshalb brachte er einen Entschließungsantrag ein, der derStandard.at vorliegt: Die zuständigen Bundesbehörden sollten die Grenzposten im Burgenland entweder renovieren, weiternutzen oder schleifen lassen. Kölly, Bürgermeister von Deutschkreutz, hätte schon Ideen für die weitere Nutzung des Grenzhauses seiner Gemeinde: Ein grenzüberschreitendes Cafe könne man daraus machen, oder ein österreichisch-ungarisches Tierheim. Da bekomme man auch tolle Förderungen von der EU.

Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben eine andere Idee. Sie haben zu Köllys Entschließungsantrag einen Abänderungsantrag eingebracht, in dem steht: "Temporäre Grenzkontrollen im Schengen-Raum könnten angesichts der gewaltigen Flüchtlingsströme aus Nordafrika wieder an Bedeutung gewinnen."

Konzept für temporäre Grenzkontrollen

Weiter im Text: "Der bauliche Zustand der Infrastruktur an den ehemaligen Grenzübergängen bietet Grund zur Beunruhigung. Der Teils desolate Zustand der Bauwerke würde deren zweckgemäße Verwendung vorweg unmöglich machen." Weil das Innenministerium die Grenzhäuser nicht mehr miete, müsse die Bundesimmobiliengesellschaft die Häuser veräußern oder an andere Interessenten vermieten. "Durch diese gebotene Verwertung stehen die Grenzkontrollanlagen im Bedarfsfall nicht mehr zur Verfügung. Ein Ersatz dafür bzw. eine alternative Strategie ist daher vorzulegen", heißt es im Antrag.

Darum fordert die rotschwarze pannonische Koalition die Landesregierung auf, "an die Bundesregierung heranzutreten, das Konzept betreffend notwendiger Infrastruktur und Personalstärke für die Durchführung temporärer Grenzkontrollen vorzulegen und dessen Umsetzung sicher zu stellen".

Reimon: "Wie paranoid muss man sein?"

"Die beiden Parteien brechen das Thema jetzt auf die Sicherheit herunter und wollen es als ihren Erfolg verkaufen", sagt der ehemalige Freiheitliche Kölly, der sich um seinen Verschönerungsantrag betrogen fühlt. Noch heftiger kritisiert der burgenländische Grünen-Chef Michel Reimon das Vorgehen von SPÖ und ÖVP. "Im burgenländischen Landtag sitzen vier blaue Parteien: eine rotblaue, eine schwarzblaue, eine orangeblaue und die FPÖ. Die müssen überhaupt nichts mehr tun, weil die Regierungsparteien ihr Geschäft perfekt erledigen."

Es gebe kein nordafrikanisches Flüchtlingsproblem an der österreichisch-ungarischen Grenze und es sei auch keines absehbar. "Wie paranoid muss man sein, um das zu konstruieren?", fragt der Grüne.

Strommer: "Brauchen einen Mindeststandard"

Im Gespräch mit derStandard.at kalmiert der burgenländische VP-Klubchef Rudolf Strommer. Grenzkontrollen wie zwischen Dänemark und Deutschland lehne er ab, als überzeugter Europäer stehe er zur Reisefreiheit in der EU. "Ich rechne mit keiner Völkerwanderung. Aber wenn Wien Schauplatz eines internationalen Gipfels wird oder wenn wir wieder eine EM haben, dann brauchen wir einen Mindeststandard für die Sicherung der Grenze." Zumindest ein kleiner Teil der alten Grenzposten sollte erhalten bleiben - also jene Grenzübergänge an Autobahnen und Bundesstraßen.

Vom Einleitungstext des Antrags, in dem von "gewaltigen nordafrikanischen Flüchtlingsströmen" die Rede ist, nimmt er Abstand: "Von Nordafrika geht derzeit keine Gefahr aus. Ich konzentriere mich nur auf die Beschlussformel."

Auf Schengen-Reform vorbereiten

SPÖ-Klubchef Christian Illedits nimmt schriftlich Stellung: "Der zitierte Antrag wurde am 9.5.2011 abgefasst und danach in der Ausschusssitzung eingebracht. Zu diesem Zeitpunkt war eher von einem Ausufern als vom Ende der blutigen Unruhen in einigen nordafrikanischen Staaten auszugehen."

Nachdem Italien Aufenthaltsgenehmigungen an nordafrikanische Flüchtlinge verteilt und Kölly seinen Verschönerungsantrag eingebracht hatte, verspürten die Sozialdemokraten aus dem Flachland Handlungsdrang. Der europäischen Debatte über vorübergehende Grenzkontrollen innerhalb der EU hätte sich auch das Burgenland nicht verschlossen, schreibt Illedits. "Es geht darum, auf neuen EU-Pläne puncto Schengen-Refom vorbereitet zu sein." (Rainer Schüller, Benedikt Narodoslawsky, derStandard.at, 25. 5. 2011)