Van der Bellen über den Runden Tisch bei Klestil: "Vom Ergebnis her war das Null."

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Wien - "Enttäuschend" ist für Grünen-Chef Alexander Van der Bellen das Treffen am Runden Tisch von Bundespräsident Thomas Klestil verlaufen: "Vom Ergebnis her war das Null. Die Opposition hat ihre Vorschläge eingebracht, die Pensionsmaßnahmen aus den Budgetbegleitgesetzen herauszunehmen und bis zum Herbst darüber zu verhandeln. Schüssel und Haupt haben gesagt, wir können schon reden, aber nur bis zum vierten Juni."

Es sei daher nicht mehr zu erwarten, dass sich viel an der Pensionsreform ändern werde. Auch der Beitrag der FPÖ sei eher bescheiden, wie das Verhalten von Parteichef Haupt zeige: "Dass Haupt heute etwas anderes sagt als gestern, überrascht mich nicht, das war in den letzten Wochen regelmäßig so."

Auch die von ÖVP und FPÖ versicherte Gesprächsbereitschaft sieht Van der Bellen nicht: "Dienstagabend schießen ÖVP und FPÖ die nächste Trägerrakete ab: Da wird das Budgetbegleitgesetz als ganzes im Budgetausschuss abgesegnet." Kanzler Wolfgang Schüssel steuere "nach wie vor auf eine Eskalation mit den Gewerkschaften zu", meint Van der Bellen. Langfristig werde das dem Land nur Schaden zufügen: "Die Gewerkschaften werden aggressiver agieren, etwa bei den Kollektivvertragsverhandlungen." Das sei auch der Grund, weshalb Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl "eher auf der Seite der Gewerkschaften steht. Er durchschaut das natürlich. Seine Klientel wird den Schaden auszubaden haben, nicht Schüssel und die Regierung."

Es gebe überhaupt keinen Grund, so einen Termindruck aufzubauen, so Van der Bellen weiter: "Das Budget 2003 ist von den Pensionsmaßnahmen nicht tangiert, für 2004 hat Grasser aus diesem Titel rund 140 Millionen Euro eingeplant, die je zur Hälfte Beamte und ASVGler beitragen. Im allerungünstigsten Fall würde diese Summe also 2004 fehlen, was angesichts der Konjunkturlage durchaus vertretbar wäre. Es wäre also nicht das geringste Problem, diesen Punkt aus dem Budgetbegleitgesetz herauszunehmen. Wir würden vorschlagen, auch die Gesundheitsmaßnahmen, die Selbstbehalte und die Abfangjäger. Aber Schüssel will das nicht. Es geht ihm weniger um die Sache, denn damit lässt sich die Eile nicht begründen. Er hat sich eben kapriziert, die unangenehmen Maßnahmen jetzt zu beschließen und nicht später und hofft, dass er von den Wählern nicht für die Sache, sondern für sein Stehvermögen belohnt wird."

Van der Bellen kritisierte, dass auch die Ärmsten - vor allem allein stehende Frauen - von der Reform betroffen wären: "Wir hätten uns gewünscht, dass alle unter einem Mindesteinkommen von 1000 Euro von der Reform ausgenommen worden wären." Das Regierungsmodell sei nicht nachvollziehbar, weil es weit über das hinausgehe, was Experten als ausreichend betrachteten - die "Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters und eine Senkung der Pensionen um durchschnittlich zehn Prozent".

Die Möglichkeit eines Scheitern der Regierung beziffert Van der Bellen mit "50:50. Die FPÖ hat keine Ahnung, ob sie Regierungsanhängsel der ÖVP ist oder Opposition sein will. Dabei ist Haupt der zuständige Minister für die Reform - und der sagt jeden Tag etwas anderes." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.5.2003)