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Josef Pröll hatte im März dieses Jahres eine Lungenembolie - heute nahm er von der Politik Abstand.

Foto: APA/Hans Klaus Techt

Ein Langstreckenflug - Pröll war zuvor in Peking gewesen - war vermutlich schuld an dem bedrohlichen Ereignis, denn das stundenlange Sitzen mit angewinkelten Beinen im Flieger bietet ideale Voraussetzungen für die Bildung von Blutgerinnseln. Wirklich gefährlich wird es für Passagiere allerdings erst nach dem Aufstehen oder noch später. Mitgerissen vom Blutstrom verstopfen die Blutgerinnsel plötzlich Lungengefäße.

"Der Patient spürt oft nur einen diskreten Schmerz und einen Hustenreiz", erklärt Ernst Pilger, Gefäßspezialist an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz. Von den Betroffenen wird die kurzanhaltende Symptomatik als etwas Vorübergehendes interpretiert und nicht zwingend als Anlass genommen, einen Arzt zu aufzusuchen. "Genau das ist auch die Problematik hinsichtlich der Therapie", weiß Pilger. Denn um adäquat therapieren zu können, darf eine Lungenembolie nicht länger als drei Tage zurückliegen. Danach ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich mit Hilfe einer Lysetherapie das Gerinnsel auflösen lässt, schon äußerst gering. Andererseits: Bleibt die Lungenembolie vollkommen unbemerkt, dann stehen die Chancen gut, dass es sich um ein sehr kleines Blutgerinnsel handelt und der menschliche Organismus es schafft, dieses selbsttätig mithilfe der körpereigenen Fibrinolyse zu zersetzen.

Stumme Embolie

Der Patient bekommt davon nichts mit, völlig unbemerkt hat er eine Lungenembolie überstanden. Die Dunkelziffer solcher unbemerkten Ereignisse ist hoch und erweckt den Eindruck einer harmlosen Erkrankung. Die "Ruhe" einer stummen Embolie ist jedoch trügerisch, denn Lungenembolien neigen zu Rezidiven und zeigen sich dann mitunter nicht mehr ganz so bedeckt. "Insbesondere Zweitereignisse sind hochgefährlich. Hier sind Todesfälle besonders häufig", so Pilger.

In Prölls Krankengeschichte findet sich bereits im Dezember 2009 eine tiefe Beinvenenthrombose und als übergewichtiger Mensch ist sein Risiko für die Entwicklung einer Lungenembolie per se schon erhöht. Seine Beschwerden im März waren zudem nicht von kurzer Dauer. Angeblich erfolgte die Einlieferung in die Innsbrucker Uniklinik erst nach mehreren Tagen anhaltender Atemprobleme.
Neben dem Ringen nach Luft, stellt erhöhtes D-Dimer den Verdacht auf eine Lungenembolie in den Raum. Der Parameter im Blut ist ein Spaltprodukt des Gerinnungsfaktors Fibrinogen. Er ist positiv, wenn der Körper selbst schon darum bemüht ist, ein Gerinnsel aufzulösen. Die Crux dabei: "D-Dimer ist sehr unspezifisch. Das bedeutet, es gibt viele Erkrankungen, die mit einer Erhöhung des Parameters einhergehen", betont der Grazer Angiologe. Als Beweismittel eignet sich das D-Dimer nur im umgekehrten Fall. Ist es nämlich negativ, dann darf man sicher behaupten, dass der Patient keine akute Lungenembolie hat.

Computertomografie und Ultraschall ließen bei Pröll wahrscheinlich den Verdacht erhärten. Für eine Lysetherapie war es vermutlich zu spät und von einer Rechtsherzbelastung, die ebenfalls als Voraussetzung für eine gerinnselauflösende Behandlung gilt, war in der medialen Berichterstattung nichts zu lesen. "Liegt das Ereignis länger zurück und ist die Tätigkeit des rechten Herzens normal, dann verschiebt sich das Therapieziel von der Auflösung eines vorhandenen Gerinnsels in Richtung Verhinderung eines Folgeereignisses", weiß Pilger. Erreicht wird dieses Behandlungsziel mit der Gabe blutverdünnender Medikamente.

Zweitereignis und Lungenhochdruck

Über Patienten mit unbemerkten Lungenembolien schwebt das Damoklesschwert also in zweierlei Hinsicht. Neben dem hohen Risiko eines Zweitereignisses, gesellt sich die drohende Entwicklung eines Lungenhochdrucks. Diese sogenannte pulmonale Hypertonie ist eine schwerwiegende Komplikation der Lungenembolie und bedarf einer genaueren Erklärung: Der Verschluss einer beziehungsweise mehrerer Lungenarterien durch einen Thrombus oder thrombotische Anteile zwingt das Herz gegen einen steigenden pulmonalen Widerstand zu arbeiten. Die rechte Herzkammer muss das sauerstoffarme Blut daher mit erhöhtem Druck in die Arterien der Lunge pumpen. Um das zu bewerkstelligen, beginnt der rechte Herzventrikel sich zu vergrößern. "Wir sehen oft Patienten mit pulmonaler Hypertonie, bei denen sich nur durch sehr diffiziles Fragen vermuten lässt, dass eine Lungenembolie schon Jahre früher vorausgegangen ist", erzählt der Gefäßspezialist. Die Betroffenen kommen dann primär wegen Herzbeschwerden zu Pilger. Schwer belastet hat das Herz ihre körperliche Leistungsfähigkeit reduziert und führt unbehandelt über Kreislaufbeschwerden schließlich zum Rechtsherzversagen.

Medizinische Herausforderung

Die Anamnese ist demnach der erste und auch wichtigste Schritt in der Diagnostik einer Lungenembolie. Die korrekte Diagnose ist ganz entscheidend, verhindert doch die medikamentöse Verdünnung des Blutes die Bildung neuer Thromben, Embolien und damit die sekundäre pulmonale Hypertonie. "Mit Atemnot und Druck in der Brust wird in den meisten Fällen ein Herzinfarkt assoziiert. Deshalb ist das daran Denken die größte Herausforderung für Mediziner", so Pilger und empfiehlt bei einem bestehenden Lungenembolieverdacht auch die Becken- und Beinvenen hinsichtlich einer Thrombose zu untersuchen. (Regina Philipp, derStandard.at, 13.04.2011)