Das Boot ist nicht voll, das Fremdenrechtspaket wird an Ministerin Fekter zurückgeschickt: So sehen es Kritiker (hier bei einer Kundgebung im Februar). Im Hearing überwog hingegen Zustimmung.

Foto: Heribert Corn

Wien - Für ein Hearing im Nationalrat sind vierzig Zuschauerinnen und Zuschauer von außerhalb nicht wenig. Bei der öffentlichen Expertenrunde mit anschließendem Frageangebot für Abgeordnete zum Fremdenpaket am Dienstagnachmittag besetzten hauptsächlich Kritiker des Entwurfs die Gästebänke.

Sie bekamen Stellungnahmen zu hören, die mehrheitlich Zustimmung zu der vierten Asyl-, Fremdenpolizei-, Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts- sowie Staatsbürgerschaftsnovelle binnen nur sechs Jahren ausdrückten. So, wie es den Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat eben entspricht, wo sich die große Koalition auf das neue Gesetz verständigt hat.

Warum besagte Novelle bei NGOs und Flüchtlingshilfsgruppen mit Befürchtungen bis hin zu offener Angst erwartet wird, kam nur in zwei der insgesamt sieben Inputs zur Sprache: Jenen der Experten, die von den Grünen geladen worden waren. Etwa von der Anwältin und SOS-Mitmensch-Obfrau Nadja Lorenz: Die Anwesenheitspflicht von Flüchtlingen in den Erstaufnahmezentren für bis zu sieben Tage, nachdem sie ihren Asylantrag gestellt haben, sei auch nach einigen erhandelten Entschärfungen "als Haft zu qualifizieren", sagte sie.

Trotz dieser Änderungen nämlich werde einer beträchtlich großen Gruppe neu angekommener Flüchtlinge laut Paragraf 76 des Fremdenpolizeigesetzes bei Polizeikontrollen außerhalb des Lagers weiterhin automatisch Schubhaft drohen: all jenen, die laut der rund um Griechenland-Abschiebungen schwer in die Kritik geratenen Dublin-II-Verordnung in ein anderes EU-Land zurückgeschickt werden sollen, um dort ihr Asylverfahren abzuwarten. Sowie für den Fall, dass dies nach ihrer Befragung "anzunehmen" ist.

"Verfassungskonform"

Diesen Einwänden konnte Gerhard Hesse, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, nicht folgen: Er war von der SPÖ ins Hearing geladen worden. Die Anwesenheitspflicht in der jetzt vorgeschlagenen Form sei verfassungskonform, denn am Verlassen des Erstaufnahmezentrums werde niemand gehindert, betonte er. Ohnehin sei ihm unverständlich, warum Flüchtlinge, die wüssten, dass ihr Verfahren in einem anderen Staat ressortiere, in Österreich einen weiteren Asylantrag stellten, sagte Hesse zum Standard.

Gründe dafür waren unter anderem bei der Pressekonferenz verschiedener NGOs und Privatpersonen Dienstagvormittag zur Sprache gekommen, die für den 27. April zu einer Demonstration gegen das Fremdenpaket aufrufen. Traumatisierte Personen, etwa aus Tschetschenien, die in Europa bereits eine Reihe zusätzlich belastender Fluchtstationen durchlaufen hätten, kämen in der Hoffnung auf Aufnahme ins Land. Hier jedoch erwarte sie weitere Einsperrung, schilderten die dort geladenen Experten.

Und zwar laut Hearing-Expertin Lorenz künftig auch Jugendlichen in höherem Ausmaß. In der Öffentlichkeit als Entschärfung verkauft, sehe die jetzt geplante Regelung "auch für 16- bis 18-Jährige explizit Schubhaft vor". Prinzipiell von dieser Art Einsperrung ausgeschlossen seien nur die unter 14-Jährigen. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 6.4.2011)