Wien - Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) hofft vor der vorerst letzten Sitzung der Arbeitsgruppe, die an einer Reform der Sorgerechtsbestimmungen für Kinder arbeitet, am Montag auf eine rasche Einigung mit dem Koalitionspartner. Nachdem sie ihren Entwurf für ein neues Obsorgerecht bereits öffentlich präsentiert hat, will Bandion-Ortner nun in der Arbeitsgruppe darüber diskutieren und hofft auf einen Abschluss. Die Chancen auf einen baldigen Kompromiss mit der SPÖ stehen aber nicht sehr gut, weiß man im Justizministerium.

An der nicht medienöffentlichen Sitzung nehmen 40 Vertreter aus Ministerien (Frauen, Familien, Soziales), der Volksanwaltschaft, Frauenorganisationen, Vätervereinen, Familienrichter und Gewaltschutzzentren teil. Angesicht der Breite der Teilnehmer werde es schwer sein, alle Organisationen zu 100 Prozent zufrieden zustellen, aber in den meisten Punkten gebe es Einigkeit, hieß es aus dem Justizressort im Vorfeld. Auf der anderen Seite seien aber noch Fragen offen. Bandion-Ortner hofft jedenfalls, mit dem Koalitionspartner SPÖ einen Kompromiss zu finden. Wenn das morgen noch nicht gelingt, werde man weiterverhandeln.

Knackpunkt: "Automatische Obsorge"

Der Entwurf der Ministerin sieht nach einer Scheidung eine gemeinsame Obsorge vor. Derzeit ist das nur bei Einigkeit möglich, die Regelung kann auf Wunsch eines Elternteils ohne Begründung aufgehoben werden. Im Entwurf für die Novelle heißt es nunmehr: Wird die Ehe geschieden, "so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht". Die Eltern können aber auch vor Gericht eine Vereinbarung schließen, dass ein Elternteil allein mit der Obsorge betraut wird. Bei fehlender Einigung hat das Gericht die gemeinsame Obsorge zu verfügen, sofern nicht wichtige Gründe aus Sicht des Kindeswohls - etwa Gewalt oder Missbrauch - dagegen sprechen.

Außerdem sollen uneheliche Väter ein Antragsrecht auf Obsorge bekommen. Derzeit steht in diesen Fällen die Obsorge zunächst der Mutter alleine zu, auch wenn die Eltern im gemeinsamen Haushalt leben. Eine gemeinsame Obsorge muss extra beantragt werden, dafür braucht es aber die Zustimmung beider Elternteile.

Kritik der Arbeitsgruppe wird berücksichtigt

Der Knackpunkt zwischen SPÖ und ÖVP ist die "automatische Obsorge". Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) lehnt die im Entwurf vorgesehene "Automatik" der gemeinsamen Obsorge nach strittigen Scheidungen ab. 

Eine weitere Sitzung der Arbeitsgruppe werde es nach jener am Montag nicht geben, nun folgten politische Gespräche, so Bandion-Ortner. Ihr sei aus der Arbeitsgruppe berichtet worden, dass der Entwurf für einzelne Vertreterinnen von Frauenorganisationen "zu viel" und einzelne Vertreter von Väterorganisationen "zu wenig" sei. Man werde aber nie alle zu 100 Prozent zufriedenstellen können, es gehe aber letztlich ja um "Kinderpolitik".

Heinisch-Hosek fordert politisches Gespräch

Die Kritik in der Arbeitsgruppe werde für den Begutachtungsentwurf "berücksichtigt", versprach die Justizministerin, es werde "allenfalls" Adaptierungen geben. Auf die Frage, ob sie den Entwurf auch ohne eine Einigung mit der SPÖ in Begutachtung schicken würde, meinte Bandion-Ortner, sie strebe zunächst eine Einigung an. Es müsse jedenfalls ehestmöglich eine Lösung geben. Über den vorliegenden Entwurf habe sie noch nicht mit Heinisch-Hosek gesprochen, so Bandion-Ortner auf eine entsprechende Frage. Auch einen konkreten Termin dafür gibt es laut der Justizministerin noch nicht.

 

Auf der SPÖ-Seite drängt man auf einen solchen Termin: Man sei "sehr gesprächsbereit", betonte eine Sprecherin der Frauenministerin gegenüber der APA. Die Arbeitsgruppe sei aber ein beratendes Gremium, wo keine politische Entscheidung fallen könnte - deshalb warte man auf einen Termin für ein politisches Gespräch zwischen den beiden Ministerinnen. (APA)