Der Wiener Pflegedienstleister Sozial Global hat die geplanten Änderungskündigungen von 385 Angestellten mit sofortiger Wirkung ausgesetzt - wenn auch nur vorerst -, informierte das Unternehmen am Freitag. Sozial Global habe sich für ein Moratorium von einem Monat entschieden, in dem auf Kündigungen oder arbeitsrechtliche Maßnahmen verzichtet werde, hieß es. Nun soll mit den Belegschaftsvertretern eine rasche Lösung gefunden werden. Die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-dpj) und vida begrüßen den Schritt.

"Jetzt heißt es: Zurück an den Verhandlungstisch", betonte Nicole Krotsch, Vorsitzende von Sozial Global. Krotsch ist auch Frauensekretärin der Wiener SPÖ. Sozial Global wird von einem Verein geführt, der von den Wiener SP-Frauen gegründet wurde. Ziel sei jedenfalls, alle 800 Arbeitsplätze des Unternehmens zu sichern, für Gerechtigkeit bei den Löhnen zu sorgen und die wirtschaftliche Basis des Unternehmens dauerhaft auf feste Beine zu stellen. Der Pflegedienstleister erwarte eine sofortige Aufnahme der Verhandlungen mit der Gewerkschaft. Innerhalb eines Monats - so lange gilt das Moratorium - soll nun eine Lösung gefunden werden.

Öffentliche Betriebsversammlung am 7. März

Die GPA-dpj begrüßt das "erfreuliche" Angebot, aber: "Die eindeutige Zurückziehung der Anträge wäre ratsamer gewesen", betonte Bundesgeschäftsführer Karl Proyer. Er stellte bereits vor Verhandlungsbeginn klar: "Ein Aushebeln der kollektivvertraglichen Struktur des BAGS-Kollektivvertrages (Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe) kommt keinesfalls infrage." Die betroffenen Mitarbeiter sollen durch die Änderungskündigungen im schlechter entlohnten BAGS-Kollektivvertrag wieder angestellt werden. Die Gewerkschaft vida sei "sofort" zu Verhandlungen bereit, wenn eine schriftliche Bestätigung des AMS vorliege, dass die Kündigungen tatsächlich ausgesetzt wurden, teilte sie mit.

Laut Proyer ist die "Leier" vom alten beziehungsweise neuen Kollektivvertrag "Unsinn". "Es ist völlig undenkbar, dass die von den Ländern unbewältigten Finanzprobleme gelöst werden, indem man Beschäftigtengruppen, die ohnehin nicht zu den höchsten Einkommensbeziehern gehören, die Löhne und Gehälter kürzt", so der Gewerkschafter. Eine geplante öffentliche Betriebsversammlung der Sozial-Global-Beschäftigten am 7. März beim Rathaus findet jedenfalls statt, informierte vida.

Grüne: Fatales Zeichen

Ein leichter Riss in der rot-grünen Harmonie: Der Koalitionspartner ist nicht derselben Meinung. Lohnkürzungen wären anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Internationalen Frauentags ein "fatales Signal", sagt Grünen-Sozialsprecherin Birgit Hebein in einer Aussendung. Auch die FPÖ übte Kritik.

Laut Hebein müsse das Management des Unternehmens die Verantwortung übernehmen und die Vorwürfe klären: "Man muss strukturelle und organisatorische Mängel, die zu dieser Situation geführt haben, in den nun stattfindenden Verhandlungen mitberücksichtigen." Es dürfe nicht auf Kosten der Arbeitnehmer gespart werden, so ihre Forderung. Sie begrüßte jedenfalls die Wiederaufnahme der Verhandlungen.

Hundstorfer versteht beide Seiten

Sozialminister Rudolf Hundstorfer will sich nicht in den Konflikt bei Sozial Global einmischen, wie er am Freitag im Ö1-Morgenjournal sagte. Er zeigte aber Verständnis für die finanziellen Anliegen beider Seiten: "Es ist für mich nachvollziehbar, wenn diverse Vereine, die im sozialen Umfeld Dienstleistungen erbringen, Finanzierungsprobleme haben." Allerdings gehe es auch um eine Personengruppe, die ein "sehr geringes Einkommen" habe. Einen Bedarf für Änderungen im Kollektivvertrag sehe er aber nicht.

Die möglichen Lohnkürzungen beim Pflegedienstleister waren zudem auch Thema in der heutigen Sitzung des Wiener Gemeinderats. Frauenstadträtin Sandra Frauenberger verwies dabei auf die wieder aufgenommenen Verhandlungen, verteidigte aber auch etwaige Änderungskündigungen. Die Tatsache, dass rund die Hälfte der Mitarbeiter über dem BAGS-KV bezahlt würden, sei für Sozial Global wirtschaftlich nicht tragbar, argumentierte Frauenberger.

Anfang der Woche wurde bekannt, dass das Unternehmen bei 385 Angestellten - fast die Hälfte der Belegschaft - aus Kostengründen Änderungskündigungen vornehmen will. Betroffen davon sind laut vida Mitarbeiter, die vor 1. Juli 2004 bei Sozial Global begonnen haben. Zu dieser Zeit gab es den BAGS-Kollektivvertrag noch nicht, der nach Willen der Geschäftsführung bald für alle Beschäftigten gelten soll. (APA)