Wien - In der einen Hand hält sie die einjährige Tochter, in der anderen den weiß-roten Luftballon der Arbeiterkammer Wien: Martina Kuzmich will sich auf der Messe "Beruf-Baby-Bildung" vor allem über Weiterbildungsangebote informieren.

Denn im Jänner läuft ihre Karenz aus, und in ihren früheren Job als kaufmännische Angestellte in einem Wiener Theater kann sie nicht mehr zurück. "Meine Position wurde durch drei Studenten ersetzt" , sagt die 32-Jährige, und eine andere Stelle, die ihr im Unternehmen angeboten wurde, kann sie wegen der geringeren Bezahlung nicht annehmen: "Davon kann ich als Alleinerzieherin nicht leben." Was ihre Situation noch verschärft: Einen Betreuungsplatz in einem städtischen Kindergarten bekommt sie für die Kleine erst im September nächsten Jahres. Auch die privaten Kindergärten sind in ihrem Wohngebiet bereits voll. Sogar die Suche nach einer Tagesmutter blieb bislang erfolglos. Aber dorthin will sie ihre Tochter ohnehin nur geben, "wenn es nicht anders geht" .

Mit ihrer Skepsis gegenüber Tageseltern ist Frau Kuzmich nicht allein: In einer aktuellen Studie hat sich das Österreichische Institut für Familienforschung eingehend mit dieser Betreuungsform beschäftigt und dabei auch die Zufriedenheit und die Motive der Eltern abgefragt. Rein zahlenmäßig ist das Interesse an der Betreuung durch eine Tagesmutter (-väter gibt es kaum) derzeit noch gering: Nur rund 4,4 Prozent aller fremdbetreuten Kinder verbrachten 2007 laut Statistik Austria die elternfreie Zeit bei Tagesmüttern. Dabei gibt es regional starke Unterschiede. So finden sich laut Studienautor Markus Kaindl fast 40 Prozent der Tagesmütter in Niederösterreich, auch in der Steiermark sind Tagesmütter weitverbreitet.

Wer nutzt dieses Angebot? Kaindl sieht den Schwerpunkt bei den unter Dreijährigen, vor allem die unter Eineinhalbjährigen wären bei einer Tagesmutter oft besser aufgehoben als in einer Krippe, womit auch schon die Hauptmotive der Eltern auf der Hand liegen, die ihre Kinder zur Tagesmutter schicken: Die kleine Gruppengröße (je nach Bundesland maximal drei bis fünf Kinder gleichzeitig) und der gute Betreuungsschlüssel gilt für viele als attraktiv. 59 Prozent nennen die flexible Nutzung als Motiv. Trotzdem polarisieren Tageseltern stärker als institutionelle Einrichtungen, etwa wenn es um die Familienähnlichkeit geht (sowohl ein starkes Pro- als auch Kontra-Argument) oder um die Einschätzung der Kontrollmöglichkeiten. "Viele Eltern wissen aber gar nicht, dass so ein Angebot überhaupt besteht" , sagt Studienautor Kaindl.

Die nach Bundesländern variierenden Ausbildungszeiten sieht er jedenfalls nicht als relevantes Entscheidungskriterium: Niederösterreich habe bis vor kurzem die geringste Ausbildungsdauer vorgeschrieben, was die Eltern aber nicht abgeschreckt habe. Heute liegt Wien mit 60 Stunden an letzter Stelle, steirische Tagesmütter müssen hingegen 460 Kursstunden absolvieren. (Karin Moser, DER STANDARD-Printausgabe, 20.5.2010)