Wien - Der Kanzler bekommt dieser Tage gleich zweimal engagierte Post. Weil sich der SPÖ-Chef unlängst für eine Verlängerung des Bundesheer-Einsatzes an der Grenze vor dem Urnengang im roten Burgenland am 30. Mai eingesetzt hat, ÖVP-Obmann und Vizekanzler Josef Pröll das aber lieber abseits des Wahlkampfes diskutieren möchte, wendet sich nun ein besorgter Bürger des 18. Wiener Gemeindebezirks in einem offenen Brief an Werner Faymann.

Da in Norbert Kasehs Umgebung Einbrüche und Auto- wie Fahrraddiebstähle steigen, Bettler-Banden und Gürtelkönige die Gegend unsicher machen, bittet der Hauptstädter den "sehr geehrten Herrn Bundeskanzler", sich "dafür einzusetzen, dass mit der Verlängerung im Burgenland die Ausdehnung des Assistenzeinsatzes auf Wien beschlossen wird". Das Hauptargument, das Kasehs dem Kanzler unterbreitet: "Die Polizei ist mit dieser Situation offensichtlich überfordert. Dies ist auch kein Wunder, gibt es doch in Wien - bezogen auf die Einwohnerzahl - deutlich weniger PolizistInnen als im Burgenland."

Das andere Schreiben an Faymann, das den Assistenzeinsatz betrifft, ist weniger freundlich. Seine Absender: Peter Pilz und Alexander Van der Bellen. Ihr Begehr: die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates. Denn: Durch den Ministerrat-Auftritt, bei dem der Kanzler laut Aussendung der Austria Presse Agentur "die Verlängerung des Einsatzes im Osten vor der Landtagswahl Ende Mai fixieren" wollte, weil so der Unterschied zur ÖVPfestzumachen sei, sehen die Grünen das Bundesheer für den Wahlkampf der burgenländischen SPÖ "missbraucht" . Pilz will nun im Sicherheitsrat einen Antrag in Form einer Empfehlung an Innenministerin Maria Fekter (VP) einbringen, mit dem der Einsatz - wie vorgesehen - im Herbst evaluiert und dann beendet werden soll. Zuletzt sei das Bundesheer im 1934er-Jahr mit "unvergleichbar schlimmeren Folgen" missbraucht worden, meint Pilz, und: "Gerade die SPÖ sollte sich daran erinnern!"

Diesen Vergleich qualifiziert Verteidigungsminister Norbert Darabos (SP) als "geschmacklose Verharmlosung von Austrofaschismus, Bürgerkrieg und der Ausschaltung der Demokratie". Und in Richtung von Grünen-Chefin Eva Glawischnig meint Darabos: Sie möge Pilz doch "eine Nachdenkpause" verordnen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 18.5.2010)