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Die Eberauer applaudieren sich selbst zum klaren Votum. Aber weiterhin wünschen sie sich "irgendein Projekt".

Foto: APA/Leodolter

Eberau - Irgendwann am Sonntagnachmittag nutzte Hannes Buch die Gunst des Augenblicks. Sein altehrwürdiges Gasthaus, das in den vergangenen Wochen zu einem veritablen Pressezentrum mutiert war, summte vor stiller Geschäftigkeit. An einem Tisch saßen die Schreiber vor ihren aufgeklappten Laptops, am anderen ein auf den nächsten Einsatz wartendes Fernsehteam, am dritten die Crew des Houchang Allahyari, der jüngst mit seinem Film Bock for President für Furore gesorgt hatte.

Schreibwunsch

Dazwischen stellte sich dann Hannes Buch und sagte: "Ich möchte, dass ihr wieder was über Eberau schreibt. Aber", und das rief er, "ohne das Wort Erstaufnahmezentrum." Ganz geht das noch nicht. Und die Frage ist, ob das überhaupt je wieder gehen wird. Aber der Wunsch der Eberauer, wieder zurückkehren zu können in den gewohnten Lauf der Dinge, ist beinahe greifbar an diesem Sonntagnachmittag, als schon klar war, wie die Volksbefragung über das - 'tschuldigung: Erstaufnahmezentrum - ausgehen wird. Auch der Sprecher der Bürgerinitiative, Günter Kroboth, bittet: "Schreibts doch, was wir durch dieses Nein gerettet haben." Säße man nicht beim Buch am Laptoptisch, Günter Kroboth würde, weit ausholend, den Arm um sich drehen, um so aufs Gerettete zu zeigen. Dieses nennt sich selbst "Weinidylle". Die Leitrebsorte ist der lange Zeit verboten gewesene Uhudler, und über den könnte man tatsächlich einiges erzählen, wenn auch nicht ausschließlich was Gutes.

Luising läge gleich in der Nähe. Aber für Luising gilt ja Ähnliches: Darüber sollte einmal jemand schreiben, ohne dass das Wort "Waffenlobbyist" vorkommt.

Keine Idylle

Die so sehnlich erhoffte Rückkehr zum Alltag wäre aber, das ist den Eberauern schon klar, keine zur Idylle. Zu sehr lastet die euphemistisch als "Strukturschwäche" umschriebene Vernachlässigung auf der Gegend. Nun kommt - mit wortgewaltiger Schützenhilfe des Landeshauptmanns - der Ruch verbohrter Xenophobie dazu.

Nichts freilich wäre ungerechter gegenüber den Menschen des Pinkabodens, wie die "Weinidylle" auch oder eigentlich heißt, weil zum Pinkaboden unabdingbar auch die Dörfer jenseits der Grenze zählen. Die Pinkabodner haben jedenfalls weit offensiver als anderswo die offene Grenze bis hin zur Selbstverständlichkeit begrüßt. Die aus lauter Vernachlässigungsnot selbst gemanagte Buslinie, der Rote Bus, fährt planmäßig bis nach Pornóapáti/Pernau, wo es die Umstiegsmöglichkeit nach Szombathely gibt.

In der Eberauer Hauptschule lernen die Kinder klarerweise die Nachbarsprache. Weil den Menschen klar ist, was sie schon den Friedensverhandlern in St. Germain und Trianon klarmachen wollten: "Ohne Szombathely können wir nicht leben."

Der in den vergangenen Wochen so intensiv gescholtene Eberauer Bürgermeister, Walter Strobl, interpretiert die Angelegenheit - und zwar sowohl seine geheime Bewerbung als auch die sonntägig Volksbefragung - als "Hilferuf" der ganzen Region, ihr doch auch etwas von den Fördersegnungen zukommen zu lassen. "Irgendein Projekt", sagt nicht nur Strobl. Die fürs, 'tschuldigung: Erstaufnahmezentrum vorgesehenen Grundstücke will er rückkaufen. Wohnungen sollen entstehen. Oder ein Einkaufszentrum. Oder, eben, "irgendein Projekt".

Wirtsgeschichten

Hilferufe gab es schon mehrere hier. Einige sind gerichtsanhängig wie das Seniorenzentrum im benachbarten Strem. Auch gegen Walter Strobl und seinen Bildeiner Kollegen gibt es Anzeigen wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs. Beide hätten ungarische Kinder angemeldet, um so ihre Schülerzahlen zu frisieren.

Hannes Buch erzählt auf Wirtsart: anschaulich und unentwegt. Zum Beispiel das: Unten an der Schlossallee, die eigentlich ein langgezogener Anger ist, lebt ein Wiener. Der kam eines Tages zu ihm und meinte: "Wenn ich da rausschaue und in ein paar Stunden wieder, hat sich nichts verändert. Es ist wie ein Standbild." Viel präziser lässt sich Eberau nicht beschreiben. Aber eine solche Beschreibung ist natürlich auch nicht viel mehr als ein Hilferuf. (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD-Printausgabe, 23.2.2010)