Wien - Martin Graf kann sich beruhigt zurücklehnen. Die ÖVP schlägt zwar ein Modell vor, um unter anderem Nationalratspräsidenten künftig abwählen zu können, doch der umstrittene blaue Amtsträger wird unbehelligt bleiben. "Keinen politischen Willkürakt" möchte ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf setzen, "nur weil einem das Gesicht von jemand anderem nicht gefällt."

Ausschließlich rechtliche Verfehlungen sollen nach dem Willen von Kopf und dem zweiten Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer zur Abwahl führen: Wenn ein Nationalrats- oder Bundesratspräsident die Verfassung verletzt oder wegen einer vorsätzlichen Straftat eine rechtskräftige Freiheitsstrafe ausfasst. In diesem Fall können National- beziehungsweise Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit einen Beschluss auf Abwahl fassen, die endgültige Entscheidung fällt der Verfassungsgerichtshof (VfGH). Nach dem gleichen Prozedere sollen - wie heute bereits Rechnungshofpräsidenten - künftig auch Volksanwälte, die schuldhaft Gesetze brechen, abgewählt werden können.

Ebenfalls schärfere Regeln will die ÖVP für Abgeordnete: Bisher mussten Volksvertreter bei einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (egal, ob bedingt oder unbedingt) gehen, nun sollen auch schon sechs Monate unbedingt reichen. Eine Verurteilung wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses könnte sogar unabhängig vom Strafmaß zur Abwahl führen. Wieder gilt: Entscheidung des VfGH nach Beschluss von National- oder Bundesrat.

In jüngerer Vergangenheit verurteilte Abgeordnete wie Susanne Winter (FPÖ, drei Monate bedingt) und Peter Westenthaler (BZÖ, sechs Monate bedingt) kämen wegen zu geringer Strafen allerdings auch nach der Neuregelung ungeschoren davon. Und ob Graf betroffen wäre, beantwortet ÖVP-Klubchef Kopf mit einem unmissverständlichen "derzeit nicht".

Die SPÖ hält den ÖVP-Vorschlag deshalb nicht nur für "unausgegoren", weil er "alles über einen Kamm schert", sondern auch für unzureichend: Sie will wie auch die Grünen die Möglichkeit schaffen, Graf (und andere künftige Problemfälle) per Zweidrittelmehrheit im Nationalrat abwählen zu lassen. Einen Antrag auf Abwahl müsste mindestens die Hälfte der Abgeordneten unterschreiben, schlägt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Interview mit derStandard.at vor (hier zum Interview). Warum seinerzeit auch rote Abgeordnete Graf gewählt haben? Prammer: "Ich glaube, dass damals innerhalb der SPÖ zu wenig reflektiert wurde." (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2010)