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In verschiedenen Käsesorten einer oststeirischen Firma wurden im Jänner Listerien nachgewiesen, sechs Menschen starben.

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Graz - Die offizielle Produktbeschreibung erwies sich als tödlicher Zynismus: "Quargel trägt zum allgemeinen Wohlbefinden bei." Der als "Qualitätsprodukt" gepriesene "Hartberger Quargel" hat aller Wahrscheinlichkeit nach sechs meist älteren Menschen in Deutschland und Österreich das Leben gekostet. Sie starben - wie erst jetzt bekannt wurde - bereits im Vorjahr an den Folgen einer durch Listerien hervorgerufenen Infektion. Im Käse, den die Opfer verzehrten, waren hohe Konzentrationen an diesem Bakterientypus gefunden worden. Das Gesundheitsministerium weist Vorwürfe, zu spät gewarnt zu haben zurück. Man habe erst Ende Jänner die Zusammenhänge erkannt.

Erkrankungen mit Listerien sind keine Seltenheit. 2009 erkrankten 45 Menschen an den Folgen einer Infektion, elf starben. Da die Erkrankungen im Vorjahr "auffällig" wurden, begannen die Experten der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) mit der gezielten Suche nach den Ursachen. Ende Jänner konnten aufgrund einzelner Einkaufszettel, die bei Opfern gefunden wurden, die Hartberger Käsesorten eindeutig als Quelle, zumindest eines Teils der Todesfälle, identifiziert werden. Die Firma Prolactal nahm daraufhin laut Auskunft der Sprecherin des Linzer Mutterkonzern Artax, Rosemarie Schuller, 60 Tonnen Käse vom Markt.

Irreführende Kennzeichnung

Die Konzernführung zeigt sich jetzt "erschüttert", aber auch ahnungslos, wie die Bakterien in diesen hohen Konzentrationen in den Käse gelangt sein könnten. Bisher galten eher Rohmilchprodukten als besonders gefährdet. Beim Hartberger Quargel hingegen sei pasteurisierter, also hocherhitzter "Industrietopfen" aus Deutschland verwendet worden, sagte Rosemarie Schuller am Dienstag zum Standard. Was in der steirischen Landwirtschaftskammer erboste Reaktionen auslöste: Es sei "kein Tropfen steirische Milch verarbeitet" worden, die "irreführende" Kennzeichnung "Hartberger Bauernquargel" sei "ein Skandal", kritisierte Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski.

Völlig unklar ist auch, warum das Unternehmen nicht schon früher reagierte. Jede Charge wird vom Grazer Hygienicum-Institut für Mikrobiologie und Hygiene-Consulting GmbH geprüft. Alarm geschlagen hat aber die Ages. Im Institut weist man darauf hin, dass über Kunden "keine Auskunft gegeben werden darf", nur so viel: Es müssten in der Produktionskette Fehler passiert sein, es könnten etwa über die Gewürze Bakterienstämme eingeschleust worden sein.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Eine andere Vermutung äußerte ein anonymer Informant, der gegenüber der Austria Presseagentur von "schlampigen Hygienezuständen" sprach. Und davon, dass bereits im Herbst im Betrieb 2009 erhöhte Listerienkonzentrationen geortet worden seien. Auch seien die Rohstoffe "billigst aus dem Ausland eingekauft und in schmutzigen Verpackungen geliefert worden". Ein Vorwurf den Rosemarie Schuller "auf das Schärfste" zurückweist: "Bei uns gelten strengste Hygienestandards."

Unterdessen hat auch die Staatsanwaltschaft Graz Erhebungen wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung gegen das Unternehmen aufgenommen.

Artax, zu dem Prolactal gehört, beschäftigt sich mit seinen 850 Mitarbeitern weltweit unter anderem mit der Herstellung und Entwicklung von Zusatzstoffen und "funktionalen Milchprodukten" für die Lebensmittelindustrie. Umsatz: rund 270 Millionen Euro. (Walter Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 17.2.2010)