Die beschlossene Ablösung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sorgt weiter für Wirbel. 17 deutsche Erstunterzeichner der Europäischen Charta für Pressefreiheit schalteten am Montag die EU-Kommission und den Europarat ein, wie es in einer Mitteilung des Verlags Gruner + Jahr hieß. In gleichlautenden Schreiben nach Brüssel und Straßburg bezeichnete Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der "Stern"-Chefredaktion und Initiator der Charta, die Entscheidung im Namen der Gruppe als "flagranten Verstoß" gegen Artikel 2 der Charta.

Darin heißt es: "Unabhängiger Journalismus in allen Medien ist frei von Verfolgung und Repressalien, ohne politische oder regulierende Eingriffe des Staates zu garantieren." Für die "politisch organisierte Mehrheit" im ZDF-Verwaltungsrat sei Brender offenbar "zu unabhängig, unbeugsam gegenüber Versuchen politischer Einflussnahme". EU-Kommission und Europarat, bei denen die Charta offiziell notifiziert ist, wurden aufgerufen, "mit ganzer Kraft dafür einzutreten, dass die Europäische Charta für Pressefreiheit in allen Mitgliedstaaten, auch in der Bundesrepublik Deutschland, vorbehaltlos respektiert wird".

Appell

Der Appell wurde laut Mitteilung getragen von Journalisten aus "Stern", "Spiegel", "Die Zeit", "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Die Welt", "Frankfurter Rundschau", "Geo" und "Financial Times Deutschland" sowie von Repräsentanten der Verlagshäuser Axel Springer und Gruner + Jahr, Reporter ohne Grenzen und des Deutschen Journalisten-Verbandes. Die Charta ist von mehr als 450 Journalisten aus 34 Staaten unterzeichnet worden, darunter auch aus Nicht-EU-Staaten wie Russland, der Ukraine, Serbien und der Türkei.

Auch die Betriebsgruppe des Deutschen Journalistenverbands (DJV) im ZDF äußerte ihre Bestürzung, dass der Verwaltungsrat die Amtszeit Brenders nicht verlängert hat. Die Entscheidung der CDU/CSU-Mehrheit in dem Gremium entbehre jeder nachvollziehbaren Begründung. Sie lege damit den Schluss nahe, dass ein parteipolitisch unabhängiger und damit unbequemer Chefredakteur entmachtet werden und gleichzeitig ein Exempel statuiert werden solle, zur Abschreckung weiterer unabhängiger Geister im ZDF. Dies sei ein "ungenierter und dreister Angriff auf die Rundfunkfreiheit und die Unabhängigkeit des ZDF". (APA)